Fall Lucie: Bundesgericht kassiert lebenslängliche Verwahrung
Das Bundesgericht kassiert die lebenslängliche Verwahrung (Art. 64 Abs. 1bis StGB), welche die Vorinstanz im Fall Lucie angeordnet hatte (BGE 6B_93/2013 vom 22.11.2013, Publikation in der AS vorgesehen). Das Bundesgericht fasst seine Auslegung wie folgt zusammen:
Zusammenfassend ergibt sich, dass unter der dauerhaften Nichttherapierbarkeit nach Art. 64 Abs. 1bis lit. c StGB ein mit der Person des Täters verbundener, unveränderbarer Zustand auf Lebzeiten zu verstehen ist. Die Auffassung der Vorinstanz, bei einer Dauer von 20 Jahren sei die Unbehandelbarkeit eine dauerhafte, ist abzulehnen. Eine zeitliche Befristung findet weder im Wortlaut noch im Sinn und Zweck des Gesetzes und in den Gesetzesmaterialien eine Grundlage (…). Sie kann sich auch nicht auf die forensisch-psychiatrische Literatur stützen ( …) [E. 3.3, Hervorhebungen durch mich].
Die Vorinstanz hatte demgegenüber erwogen, die dauerhafte Untherapierbarkeit sei nicht nur gerade bei lebenslänglicher Untherapierbarkeit gegeben, sondern liege schon bei Untherapierbarkeit während kürzeren Zeiträumen vor. Dies erweist sich nun als bundesrechtswidrig:
Die Vorinstanz stellt im angefochtenen Entscheid (…) ausdrücklich fest, nach übereinstimmender Beurteilung beider Sachverständigen könne beim Beschuldigten keine lebenslängliche Untherapierbarkeit als ausgewiesen betrachtet werden. Weil Art. 64 Abs. 1bis lit. c StGB indessen voraussetzt, dass der Täter dauerhaft, also “Zeit seines Lebens”, nicht therapierbar ist, verletzt die Anordnung der lebenslänglichen Verwahrung Bundesrecht. Sie ist aufzuheben. Auf die Rüge des Beschwerdeführers, die Vorinstanz habe die Sachverständigengutachten willkürlich gewürdigt, braucht nicht eingegangen zu werden (E. 3.4).
Der zu erwartenden öffentlichen Kritik nimmt das Bundesgericht den Wind zum Vornherein aus dem Segel, indem es sich auf die Äusserungen des damaligen Justizministers Blocher beruft. Dieser habe betont
dass der Zustand der Untherapierbarkeit “gewissermassen chronisch” sein müsse (vgl. Amtliches Bulletin [AB] 05.081; AB 2006 Ständerat [S] S. 547, AB 2007 Nationalrat [N] S. 1195 und 1962). Vor diesem Hintergrund schloss der Justizminister, dass “diese Initiative bzw. dieser Verfassungsartikel und diese Gesetzesbestimmungen” vermutlich “nie oder höchst selten” angewendet würden, denn es brauche ja Psychiater, welche eine “lebenslängliche Untherapierbarkeit” voraussagen (vgl. namentlich AB 2006 S, a.a.O.). Die Debatten in den Eidgenössischen Räten drehten sich in der Folge zu einem grossen Teil um die Frage, ob sich “lebenslange Prognosen” stellen liessen bzw. ob es überhaupt möglich sei, eine “lebenslängliche Untherapierbarkeit” festzustellen (E. 3.2.2).