Falsch signalisiert, aber kaum falsch gemessen

Eine Verkehrsschild ist – solange man es sehen kann – auch dann verbindlich, wenn es nicht vorschriftsgemäss angebracht ist. Die Messung, welche den Beweis erbringt ist in antizipierter Beweiswürdigung nicht gutachterlich zu überprüfen.

Das Bundesgericht bestätigt die Auffassung des OGer AG in einem aktuellen Entscheid (BGer 6B_1467/2019 vom 20.02.2020):

Der Beschwerdeführer bringt zu Recht vor, die Tafel stehe entgegen der in Art. 106 Abs. 1 Satz 1 SSV aufgestellten Regel am linken statt am rechten Strassenrand. Aus dem angefochtenen Urteil geht auch nicht hervor, ob ein zwingender Ausnahmefall vorliegt, der ein Anbringen des Signals am linken Strassenrand erlauben würde. Dies führt vorliegend jedoch nicht zur Unbeachtlichkeit der Signalisation. Denn die Vorinstanz erwägt, dass das Signal “Höchstgeschwindigkeit 50 generell” bei der Einfahrt nach Remetschwil deutlich und bereits von Weitem erkennbar gewesen sei. Daran ändere die Signalisation auf der linken Strassenseite nichts. Die Strasse sei an dieser Stelle derart schmal, dass sie nur einspurig befahren werden könne. Dadurch sei der Fahrzeuglenker gezwungen, seine Geschwindigkeit entsprechend zu verlangsamen (angefochtenes Urteil S. 5 und S. 8 ff.) [E. 2.3].

Der Beschwerdeführer machte u.a. geltend, er habe das Schild nicht gesehen. Er habe an der entsprechenden Stelle ein entgegenkommendes Auto gekreuzt. Das qualifiziert das Bundesgericht als appellatorische Kritik (E. 1.3).

Der Beschwerdeführer hatte auch die Messung der Geschwindigkeitsüberschreitung beanstandet und zu diesem Zweck ein Gutachten beantragt. Beweisanträge von Beschuldigten haben in der Schweiz aber nur marginalen Stellenwert. So auch in diesem Fall:

Die Vorinstanz begründet sorgfältig und nachvollziehbar, weshalb sie auf ein Gutachten verzichtet und die Geschwindigkeitsüberschreitung von 30 km/h innerorts als erstellt erachtet. Nach ihren Erwägungen enthalten die in den Akten liegenden Fotos der Radarmessung keine Hinweise auf Unregelmässigkeiten oder auf eine ungültige Messung, obschon eine Fehlmessung meistens schon bei der Auswertung der Daten erkannt werde. Alle Daten, wie das verwendete Messgerät (…), die Kamera, die Messstelle, das Datum, die Zeit und die gemessene Geschwindigkeit seien auf der Messung enthalten. Die Vorinstanz würdigt sodann die weiteren beigezogenen Daten. Sie erwägt, aus dem Eichzertifikat, der Ausbildungsbestätigung des Gerätebedieners, dem Protokoll der Geschwindigkeitskontrolle sowie aus dem Bericht von Fw B. ergebe sich, dass das Messgerät während der gesamten Kontrolle einwandfrei funktioniert habe. Schliesslich berücksichtigt sie den Umstand, dass der Beschwerdeführer auch nach Auffassung des die Messung durchführenden Beamten Fw B.. von blossem Auge erkennbar zu schnell gefahren sei und der Beschwerdeführer selbst eingeräumt habe, er sei bewusst 80 km/h gefahren, weil er von einer Ausserortsstrecke ausgegangen sei. Der Beschwerdeführer vermag mit seinen Ausführungen zu angeblichen Fehlmessungen eines anderen Radargerätetyps, der vorliegend nicht eingesetzt wurde, keine Willkür aufzuzeigen. Angesichts dieser konkreten Umstände durfte die Vorinstanz eine Fehlfunktion des Radargerätes ausschliessen und den Antrag auf ein Gutachten betreffend die gemessene Geschwindigkeit in antizipierter Beweiswürdigung (Art. 139 Abs. 2 StPO; dazu Urteil 6B_582/2017 vom 19. Juni 2018 E. 2.1.1 mit Hinweisen; vgl. auch BGE 141 I 60 E. 3.3) abweisen, ohne in Willkür zu verfallen (E. 1.3, Hervorhebungen durch mich).

Zugegeben, die Argumentation des Beschwerdeführers war nicht besonders geeignet, die Fehlmessung zu untermauern. Der Schluss des Bundesgerichts ist aber dennoch falsch. Antizipierte Beweiswürigung ist vereinfacht gesagt nur zulässig, wenn der beantragte Beweis am Ergebnis nichts ändern würde (vgl. Art. 139 Abs. 2 und 10 Abs. 3 StPO; vgl. dagegen § 244 Abs. 3 StPO/D mit einem stärkeren Beweisantragsrecht).