Falsche Anschuldigung ja, aber anders

In einem zur Publikation in der amtlichen Sammlung vorgesehenen Entscheid vom 1. Dezember 2005 (6S.96/2005) korrigiert der Kassationshof die beiden ersten Instanzen, welche den Beschuldigten vom Vorwurf der falschen Anschuldigung (Art. 303 Ziff. 1 Abs. 1 StGB) freigesprochen hatten. Aus Erwägung 5.4 des Entscheids:

Indem der Beschwerdegegner bei der Festnahme fremde Ausweispapiere vorwies und anlässlich einer Einvernahme durch die Polizei eine falsche Identitä tvorgab, hat er eine eigentliche Inszenierung betrieben, welche für die Strafverfolgungsbehörden nicht ohne weiteres durchschaubar war. Damit ist das Merkmal der arglistigen Veranstaltung gemäss Art. 303 Ziff. 1 Abs. 2 StGB erfüllt.

Korrigiert hat der Kassationshof allerdings auch den beschwerdeführenden Oberstaatsanwalt. Dieser hatte lediglich die falsche Anwendung von Art. 303 Ziff. 1 Abs. 1 StGB gerügt. Dazu der Kassationshof:

Wenn die Beschwerdeführerin lediglich Art. 303 Ziff. 1 Abs. 1 StGB als verletzt ansieht, hindert dies den Kassationshof unter dem Gesichtspunkt von Art. 277bis Abs. 1 BStP somit nicht, eine allfällige Verletzung des Tatbestandes im Lichte der wesensgleichen Tatvariante von Abs. 2 derselben Bestimmung zu prüfen (E. 3.2).

Diese Auslegung geht nun allerdings sehr weit. Immerhin hat der Kassationhof ausdrücklich festgestellt, dass die Vorinstanz Art. 303 Ziff. 1 Abs. 1 StGB richtig angewendet hat. Dies und nur dies hat der Oberstaatsanwalt ja beanstandet. Dass er nun dennoch erfolgreich blieb, führt dazu, dass der Fall neu unter dem Aspekt von Abs. 2 zu prüfen sein wird.