Falsche Belehrung folgenlos?

Das Bundesgericht hatte sich erneut mit der Frage der Verwertbarkeit der Aussage einer Auskunftsperson zu befassen, die nicht nach Art. 181 Abs. 2 StPO belehrt wurde. Ein absolutes Verwertungsverbot schliesst das Bundesgericht unter Hinweis auf Art. 141 Abs. 1 StPO aus. Es lässt es weiterhin offen, ob die genannte Belehrungspflicht eine Gültigkeits- oder eine Ordnungsvorschrift sei. Das könne hier aber offengelassen werden, da es um eine schwere Straftat ging, für deren Aufklärung die Aussagen unerlässlich waren (BGer 6B_256/2020 vom 17.05.2021).

Das Bundesgericht hat festgehalten, dass kein absolutes Verwertungsverbot im Sinne von Art. 141 Abs. 1 StPO vorliegt, wenn eine Auskunftsperson nicht auf die möglichen Straffolgen einer falschen Anschuldigung, einer Irreführung der Rechtspflege und einer Begünstigung hingewiesen wird (Urteile 6B_386/2020 vom 14. August 2020 E. 2.3; 6B_1039/2014 vom 24. März 2015 E. 2.4.3). Ein Beweisverwertungsverbot im Sinne von Art. 141 Abs. 1 StPO setzt voraus, dass die Schweizerische Strafprozessordnung einen Beweis als unverwertbar bezeichnet. In Art. 181 Abs. 2 StPO fehlt ein entsprechender Hinweis auf eine Unverwertbarkeit, womit die absolute Unverwertbarkeit zu verneinen ist (Urteil 6B_1039/2014 vom 24. März 2015 E. 2.4.3). Zu den Ausführungen des Beschwerdeführers bleibt anzumerken, dass die Zeugeneinvernahme bei unterbliebener Belehrung nach dem Gesetzestext von Art. 177 Abs. 1 StPO ungültig und in keinem Fall unverwertbar ist (ANDREAS DONATSCH, in: Donatsch und andere [Hrsg.], Kommentar zur Schweizerischen Strafprozessordnung, 3. Aufl. 2020, N. 11 f. zu Art. 177 StPO). Das Bundesgericht hat sich im Übrigen eingehend mit der Frage, ob es sich bei dem Hinweis gemäss Art. 181 Abs. 2 StPO um ein Gültigkeitserfordernis oder um eine Ordnungsvorschrift handelt, befasst und sie ausdrücklich offen gelassen (BGE 141 IV 20 E. 1.2.3 f. mit Hinweisen auf die unterschiedlichen Meinungen in der Literatur; Urteile 6B_386/2020 vom 14. August 2020 E. 2.3; 6B_976/2015 vom 27. September 2016 E. 2.2). Eine Antwort darauf erübrigt sich auch im vorliegenden Fall. Bei den dem Beschwerdeführer vorgeworfenen Straftaten handelt es sich ohne Weiteres um schwere Straftaten im Sinne von Art. 141 Abs. 2 StPO für deren Aufklärung die Aussagen der Beschwerdegegnerin 2 unerlässlich waren (vgl. BGE 147 IV 16 E. 6; 147 IV 9 E. 1.4.2). Die vom Beschwerdeführer geltend gemachte Verletzung des Verwertungsverbotes ist demnach zu verneinen (E. 1.4, Hervorhebungen durch mich).. 

So (“in keinem Fall unverwertbar”) verstehe ich Donatsch allerdings nicht. Das Bundesgericht fasst die Lehre in BGE 141 IV 20 so zusammen:

Wie es sich verhält, wenn die Strafbehörden nicht auf die Straffolgen von Art. 303 bis 305 StGB hinweisen, regelt das Gesetz nicht explizit. Die Lehre ist in diesem Punkt nicht einheitlich (für Ungültigkeit der Aussage SCHMID, Handbuch, a.a.O., N. 924; ders., Praxiskommentar, a.a.O., N. 8 zu Art. 181 StPO; DANIEL HÄRING, in: Basler Kommentar, Schweizerische Strafprozessordnung, 2011, N. 25 zu Art. 143 StPO; RIKLIN, a.a.O., N. 2 zu Art. 181 StPO; JEANNERET/KUHN, Précis de procédure pénale, 2013, S. 219 f.; eine blosse Verletzung einer Ordnungsvorschrift und damit keine Unverwertbarkeit der Aussage nehmen an DONATSCH, a.a.O., N. 22 zu Art. 181 StPO; KERNER, a.a.O., N. 22 zu Art. 181 StPO; OLIVIER THORMANN, in: Commentaire romand, Code de procédure pénale suisse, 2011, N. 27 zu Art. 143 StPO; JO PITTELOUD, Code de procédure pénale suisse [CPP],2012, N. 410; KATHARINA GIOVANNONE, Rechtsfolgen fehlender Belehrung bei Einvernahmen, AJP 2012 S. 1062 ff./1066; vgl. für den Zeugen Art. 177 Abs. 1 StPO).

Das stimmt so aber auch nicht, denn Ungültigkeit führt nach Art. 141 Abs. 2 StPO merkwürdigerweise nicht zur Unverwertbarkeit. weshalb man Gültigkeitsvorschriften bei schweren Straftaten gar nicht braucht.