Falsche Rechtsbelehrung schadet (manchmal) nicht

Eine falsche Rechtsbelehrung führt nicht notwendigerweise zur Unverwertbarkeit. Dies gilt u.a. dann, wenn sie zu streng ausfällt. In einem vom Bundesgericht beurteilten Fall (BGer 6B_567/2014 vom 14.10.2014) war die Privatklägerin fälschlicherweise auf eine Wahrheitspflicht aufmerksam gemacht worden, der sie  – falls sie denn wirklich als Auskunftsperson befragt wurde – nicht unterlag. Dafür fehlte die Belehrung auf ein ihr zustehendes Zeugnisverweigerungsrecht. Letzteres schadete deshalb nicht, weil die Privatklägerin auf ein Aussageverweigerungsrecht hingewiesen worden war. Auf ein Zeugnisverweigerungsrecht habe sie sich auch nachträglich nicht berufen.

In welcher Eigenschaft die Privatklägerin tatsächlich einvernommen wurde, geht aus dem Entscheid nicht hervor:

Anlässlich der Konfrontationseinvernahme wurde die Privatklägerin von der befragenden Richterin darauf hingewiesen, dass sie die Wahrheit sagen müsse, und keine falschen Aussagen machen dürfe, sie sonst bestraft würde. Im Verlaufe der Einvernahme erklärte die Richterin, die Privatklägerin müsse nicht aussagen, sie könne die Aussage verweigern. Diesen Hinweis wiederholte sie mehrfach (…). Die Privatklägerin wurde eingangs nicht über ihre Zeugnisverweigerungsrechte informiert, jedoch fälschlicherweise zur Wahrheit ermahnt und implizit auf die Straffolgen nach Art. 307 StGB hingewiesen. Wie die Vorinstanz zu Recht erwägt, führt die falsche Belehrung nicht zur Unverwertbarkeit der Aussagen der Privatklägerin (…). Indem sie zur Wahrheit ermahnt wurde, wurde sie strenger belehrt als es das Gesetz für eine Auskunftsperson vorsieht. Es ist nicht ersichtlich und wird vom Beschwerdeführer auch nicht dargetan, inwiefern sich dies für ihn nachteilig auswirkt. Gleiches gilt hinsichtlich des unterbliebenen Hinweises auf die Zeugnisverweigerungsrechte. Die Privatklägerin sagte aus, obwohl ihr erklärt worden war, dass sie dazu – unabhängig von Zeugnisverweigerungsrechten – nicht verpflichtet sei. Ferner hat sich die anwaltlich vertretene Privatklägerin weder anlässlich ihrer Befragung noch im Rahmen der Stellungnahme zum Beweis auf ein ihr zustehendes Zeugnisverweigerungsrecht berufen (Urteil S. 18 E. 4.1.6.2; siehe Art. 180 Abs. 2 i.V.m. 177 Abs. 3 StPO). Die Konfrontationseinvernahme der Privatklägerin ist ebenso verwertbar, wie ihre Einvernahmen bei der Polizei (vgl. BGE 133 I 33 E. 2.2 S. 37 f.; 131 I 476 E. 2.2 S. 480 ff.; 129 I 151 E. 3.1 S. 153 f. und E. 4.2 S. 157; je mit Hinweisen) [E. 1.3].

Die rechtlichen Grundlagen stellt das Bundesgericht in E. 1.2 wie folgt dar:

Die Privatklägerschaft wird als Auskunftsperson einvernommen und ist grundsätzlich zur Aussage verpflichtet (Art. 178 lit. a i.V.m. Art. 180 Abs. 2 StPO). Jedoch kann sie die Aussage verweigern, wenn ihr ein Zeugnisverweigerungsrecht zukommt (Art. 180 Abs. 2 i.V.m. Art. 168 ff. StPO). Sie unterliegt nicht der Wahrheitspflicht, weshalb eine Strafbarkeit wegen falschen Zeugnisses gemäss Art. 307 StGB entfällt (…). Die Strafbehörden machen die Privatklägerschaft zu Beginn der Einvernahme auf ihre Aussagepflicht sowie ihre Zeugnisverweigerungsrechte aufmerksam und weisen sie auf die möglichen Straffolgen einer falschen Anschuldigung, einer Irreführung der Rechtspflege und einer Begünstigung hin (Art. 181 StPO). Unterbleibt der Hinweis auf die Zeugnisverweigerungsrechte und beruft sich die Privatklägerschaft nachträglich auf ein solches Recht, so ist die Einvernahme nicht verwertbar (Art. 180 Abs. 2 i.V.m. Art. 177 Abs. 3 StPO; siehe auch NIKLAUS SCHMID, a.a.O., N. 5 zu Art. 181 StPO) [E. 1.2].

Der Fall wirft ein Schlaglicht auf die immer wieder vorkommenden unzulänglichen Rechtsbelehrungen, insbesondere vor Gericht. Polizei und Staatsanwaltschaft haben die Belehrungen – auch dank schematischen Textbausteinen – meistens besser im Griff.