Falsche Strafzumessungskriterien
Das Besprühen einer Zugskomposition erfüllt den Tatbestand der Sachbeschädigung (Art. 144 StGB). Im konkreten Fall betrug der Sachschaden knapp achttausend Franken. Bei der Strafzumessung vergriff sich das Obergericht ZH gemäss Bundesgericht bei den Strafzumessungskriterien (BGer 6B_855/2023 vom 15.07.2024).
Weit gravierender wiege jedoch der immaterielle Schaden, den derartige Schmierereien verursachten. So seien die negativen gesellschaftlichen Auswirkungen von Vandalenakten wie Graffiti aus der “broken window Theorie” bekannt. Sie vermittelten den Bürgern einerseits ein Gefühl von Unsicherheit und dass sich niemand um Sicherheit und Ordnung kümmere. Auf der anderen Seite entstehe der Eindruck, dass alles erlaubt sei. Schmierereien an Wänden und öffentlichen Verkehrsmitteln seien von kaum zu unterschätzender sozialer Schädlichkeit. Erschwerend komme hinzu, dass die Delikte an einem Zug, der im Agglomerationsverkehr eingesetzt werde, begangen worden seien. Damit werde eine erhebliche Streuwirkung der schädlichen Auswirkungen der Delinquenz erzielt, was zusätzlich negativ ins Gewicht falle. Das objektive Verschulden des Beschwerdeführers sei als hoch zu werten und eine Einzelstrafe [recte wohl: Einsatzstrafe] von 12 Monaten Freiheitsstrafe sei festzusetzen (E. 2.7.1).
Auf den ersten Blick erscheint diese Argumentation vielleicht als etwas streng, aber nicht als falsch. Das Bundesgericht hält allerdings mit dem Beschwerdeführer dagegen und orientiert sich bei der Schwere des Verschuldens strikt am geschützten Rechtsgut (vgl. Art. 47 Abs. 2 StGB):
Dazu kommt, dass – wie vom Beschwerdeführer korrekt vorgebracht – die vorinstanzliche Einschätzung des Tatverschuldens teilweise auf rechtlich nicht massgebenden Kriterien fusst. Schutzzweck von Art. 144 Abs. 1 StGB bildet nämlich die unbeeinträchtigte tatsächliche Herrschaftsmacht über eine Sache. Geschützt sind neben dem Eigentum auch Gebrauchs- und Nutzungsrechte an einer Sache (Weissenberger, in: Niggli/Wiprächtiger, Basler Kommentar StGB/JStGB, 4. Aufl. 2019, N. 2 zu Art. 144 StGB). Ein durch Vandalismus hervorgerufenes allgemeines “Gefühl der Unsicherheit” bzw. die Entstehung des Eindrucks, wonach “alles erlaubt sei”, ist vom Schutzgedanken hingegen nicht umfasst und bei der Strafzumessung in casu nicht zu berücksichtigen (E. 2.7.2, Hervorhebungen durch mich).
Diesen Entscheid wird man sich für Strafzumessungsverteidigungen merken müssen. Leider hat das Bundesgericht dann aber jedenfalls nicht ausdrücklich die Verletzung von Art. 47 Abs. 2 StGB festgestellt, sondern bloss die Verletzung der Begründungspflicht (Art. 50 StGB).
Es ist doch bezeichnend, wie sicher ich mich in den gesitteten Ländern wie Nordkorea und Afghanistan (unter den Taliban) fühle – schliesslich sieht man dort keine Graffitis weit und breit. Dank der Abwesenheit dieser verwerflichen Schmierereien kann ein Spaziergang durch die Strassen nur als epische Symphonie des Friedens und der Ordnung beschrieben werden. In diesem Schlaraffenland der Sicherheit, wo kein einziger Sprüher mit einer Farbdose herumwandert, ist die soziale Harmonie nahezu greifbar.
Ganz anders verhält es sich jedoch in den unzivilisierten Metropolen wie London, Paris und Berlin. Dort reichen bereits die ersten Anblicke von Graffiti, um mein sorgfältig aufgebautes moralisches Gefüge ins Wanken zu bringen. Mit zittrigen Händen dränge ich mich durch die Strassen voller Tags und Murals und spüre förmlich, wie der Drang zur Delinquenz in mir aufsteigt. Kaum habe ich ein “Banksy” an einer Hauswand entdeckt, fantasiere ich bereits darüber, wie ich mir selbst eine Sturmhaube aufsetze, um mich in flagranti mit einer Spraydose zu erwischen.
Es ist also kein Wunder, dass unsere höchstgerichtlich anerkannte “broken window Theorie” uns vor den furchtbaren gesellschaftlichen Schäden solcher Vandalenakte wie Graffiti warnt. Wenn ich durch die sauberen, makellosen Strassen eines totalitären Regimes schreite, bin ich von einem Sicherheitsgefühl umhüllt, das kein westlicher Graffitiparadies je vermitteln könnte. Jeder bunte Fleck an der Wand wühlt in mir eine tiefsitzende Unsicherheit auf, als ob die Fundamente von Recht und Ordnung selbst zerbröckeln würden.
Aber keine Sorge – zum Glück haben wir Gerichte, die den wahren Feind erkannt haben: die Zerstörung durch Spraydosen. In zwölf Monaten einer wohlverdienten Auszeit im Strafvollzug hat der beschwerdeaufwerfende Sprayer ausreichend Zeit, über die Kausalität zwischen seiner Kunst und der kollektiven Angstbildung nachzudenken. Denn Graffiti in urbanen Zentren? Das ist offensichtlich ein Vorbote der Apokalypse.
Was heisst hier leider, das ist normal im Säuhäfli Staat das oberste Gericht stellt nicht die unzulässigkeit fest, sondern gibt ihren Gspänli nochmals einen Schuss besser zu begründen um aufs gleiche Resultat zu kommen.
Man muss es als Widerlichkeit bezeichnen.