Fataler freiwilliger Antritt einer Massnahme

“Die stationäre Massnahme, die Du bei uns beantragt hattest und dann plötzlich doch nicht mehr wolltest, können wir Dir aus Mangel an Therapieplätzen nicht anbieten. Wir sperren Dich aber gerne für ein paar Monate ins Gefängnis.” Das ist in ungefähr die Botschaft an einen Beschuldigten, gegen den seit Januar 2012 ermittelt wird (Widerhandlung gegen das BetmG und das SVG, mehrfache einfacher Körperverletzung, Nötigung und Raufhandel) wird und der sich im April 2014 an die Staatsanwaltschaft wendete mit der Bitte, vorzeitig eine stationäre Massnahme antreten zu dürfen. Die Staatsanwaltschaft bewilligte dies umgehend. Dann überlegte es sich der Beschuldigte aber anders und führte Beschwerde gegen den bewilligten Massnahmenantritt, worauf die Justiz aber nicht eintrat.

Zwei Tage nach dem Besuch bei der Staatsanwaltschaft erlitt der Mann gemäss Urteil des Bundesgerichts (BGer 1B_236/2014 vom 23.07.2014)

eine psychische Krise und verletzte sich dabei am Arm. Bei der nachfolgenden Intervention des Personals kam es zu einer tätlichen und verbalen Auseinandersetzung mit den eingreifenden Beamten.

Diese Auseinandersetzung führte zu einem Klinikaufenthalt (Krisenintervention) von wenigen Tagen, danach wurde der Mann ins Gefängnis nach Bostadel verlegt, um auf einen Therapieplatz zu warten. Seine Therapie konnte er dann aber mangels eines solchen nicht antreten, sodass er seine Entlassung beantragte. Dabei machte er die Rechnung allerdings ohne die Staatsanwaltschaft, welche parallel dazu Haftantrag wegen Fortsetzungsgefahr stellte und – what else? – kriegte. Die dagegen geführten Beschwerden blieben erstaunlicherweise erfolglos, wobei das Bundesgericht durchblicken lässt, dass es sich um einen Grenzfall handelt. Da aber Grenzfälle konsequent gegen den Betroffenen entschieden werden, wurde die Beschwerde abgewiesen. Aus den Erwägungen:

Zwar ist der genaue Ablauf der [oben zitierten] Ereignisse, wie bereits erwähnt, nicht völlig erstellt. Aufgrund der vorläufigen Erkenntnisse ist aber doch von Gewalthandlungen und Drohungen des Beschwerdeführers gegenüber mindestens zwei Polizisten auszugehen. Vorgeworfen werden ihm in diesem Zusammenhang die Straftaten der einfachen Körperverletzung nach Art. 123 StGB sowie der Gewalt und Drohung gegen Beamte nach Art. 285 StGB. Mit Blick auf die damit verbundenen Strafdrohungen hat er damit im Sinne von Art. 221 Abs. 1 lit. c StPO zumindest durch schwere Vergehen (vgl. Art. 10 StGB) die Sicherheit anderer erheblich gefährdet. Überdies hatte er bereits früher gleichartige Straftaten begangen, die zur Eröffnung des hängigen Strafverfahrens geführt haben. Soweit damit ein Risiko für die öffentliche Sicherheit verbunden ist, dürfen diese bei der Beurteilung der Fortsetzungsgefahr berücksichtigt werden. Der Beschwerdeführer bemühte sich zudem am 9. April 2014 selbst um einen vorzeitigen stationären Massnahmenvollzug. Er ging mithin selbst von einem Therapiebedarf aus (E. 4.1).

Erhebliche Gefährdung der öffentlichen Sicherheit? Was ist bloss los in diesem Land! Da überrascht es nicht, dass auch mildere Ersatzmassnahmen nicht griffen. Absolute Sicherheit kann eben nur durch konsequentes Wegsperren erreicht werden und das gilt selbstverständlich auch für Delikte, die sich mindestens nahe am Bagatellbereich bewegen.

Die Schlussfolgerungen des Kantonsgerichts beruhen auf einer eher bescheidenen tatsächlichen Grundlage. Zwar wird im Gutachten vom 14. Februar 2013 festgehalten, eine ambulante Behandlung erscheine nicht erfolgversprechend bzw. nur ein stationärer Behandlungsrahmen geeignet, um dem Rückfallrisiko angemessen zu begegnen. Dennoch vermochte der Beschwerdeführer in der Folge über ein Jahr lang, soweit bekannt, deliktsfrei in Freiheit zu leben. Aktuell geprüft wurden die Erfolgsaussichten einer ambulanten Therapie nicht mehr. Die Verweigerung der beantragten Ersatzmassnahme lässt sich daher nur mit Verweis auf die frühere Begutachtung sowie allenfalls damit begründen, dass der Beschwerdeführer selbst auch nicht entsprechende Erfolgschancen zu belegen vermag. Dabei muss es zwar im jetzigen Zeitpunkt angesichts des beim Beschwerdeführer festgestellten Gefährdungspotenzials sein Bewenden haben. Die für die Haft zuständigen kantonalen Behörden werden aber ohne weiteren Verzug die aktuellen Möglichkeiten und Chancen einer ambulanten Behandlung in Freiheit zumindest in einem Kurzgutachten abklären lassen müssen, soll die Untersuchungshaft noch längere Zeit andauern. Aus den dabei erzielten Ergebnissen sind dann die entsprechenden Folgerungen für die Haft zu ziehen (E. 5.4).