Fax-Einsprache gegen Strafbefehl

Das Bundesstrafgericht erklärt eine per Fax erfolgte Einsprache gegen einen Strafbefehl für ungültig (BStGer SK.2012.45 vom 27.02.2013). Der Beschuldigte wurde darin zu einer bedingten Geldstrafe verurteilt und hatte die Verfahrenskosten von CHF 40,000.00 (!) zu übernehmen. Die (ausländische) Anwältin des Beschwerdeführers kommt im Entscheid nicht sehr gut weg. Es ist – jedenfalls in der Schweiz – grundsätzlich keine gute Idee, sich in einem inländischen Verfahren durch ausländische Anwälte vertreten zu lassen.

Deutsche Kolleginnen und Kollegen scheinen dies allerdings anders zu sehen und wenig Berührungsängste zu haben, wahrscheinlich auch nach dem zitierten Entscheid des Bundesstrafgerichts (E. 3.4):

Der Beschuldigte liess sich im Vorverfahren durch eine Rechtsanwältin vertreten, welche in seinem Auftrag und Namen per Telefax “vorsorglich Einsprache” erhob. Wer als Fachperson berufsmässig Rechtsvertretungen übernimmt und Eingaben an Gerichte macht, ist verpflichtet, sich über die dabei einzuhaltenden Regeln zu informieren (Urteil des Bundesgerichts 2C_754/2008 vom 23. Dezember 2008 E. 2.4). Nicht anders verhält es sich, wer – wie vorliegend – einen Rechtsbehelf ergreift. Der Strafbefehl vom 3. April 2012 ist mit einer Rechtsmittelbelehrung versehen. Darin wird auf das Recht zur Einsprache, das Erfordernis der Schriftlichkeit, die Einsprachefrist, die fehlende Begründungspflicht bei Einsprache durch den Beschuldigten sowie die Rechtsfolge bei ungültiger Einsprache hingewiesen (…). Damit wurde der Beschuldigte bzw. seine Rechtsvertreterin korrekt und hinreichend über die zu beachtenden Formvorschriften informiert. Bei einer wie im vorliegenden Fall korrekten Rechtsmittelbelehrung kann sich eine Partei zum Vorneherein nicht auf den Gutglaubensschutz berufen, dies umso weniger, wenn sie durch einen Anwalt vertreten ist (BGE124 I 255 E. 1a/cc S. 259). Rechtsuchende geniessen ausserdem keinen Vertrauensschutz, wenn sie bzw. ihr Rechtsvertreter einen Mangel allein schon durch Konsultierung der massgeblichen Verfahrensbestimmung hätten erkennen können (BGE 124 I 255 E. 1a/aa S. 258; 117 Ia 119 E. 3a S. 125). Bereits ein Blick in das Gesetz hätte der Rechtsvertreterin aufgezeigt, dass schriftliche Eingaben zu datieren und zu unterzeichnen sind (Art. 110 Abs. 1 Satz 2 StPO). Auch die (im vorliegenden Fall nicht anwendbare) Spezialregelung bei elek-tronischer Übermittlung, wo die Strafbehörde das Nachreichen der Eingabe in Papierform verlangen kann (Art. 110 Abs. 2StPO), hätte sie hellhörig machen müssen, dass eine nicht auf dem Postweg erfolgende Übermittlung einer Eingabe nicht ohne weiteres rechtsgenügend ist.

Einen leicht schalen Nachgeschmack kriegt der Fall allerdings angesichts der nachfolgenden Ausführungen, die darauf hinzudeuten scheinen, dass der Bundesanwaltschaft die Ungültigkeit der Einsprache nicht bewusst war oder dass sie die Verteidigerin einfach ins Messer laufen liess:

Aus dem Umstand, dass der zuständige Staatsanwalt anlässlich eines Telefonats mit der Verteidigerin vom 18. April 2012 (…) – nach Kenntnisnahme der am Vorabend per Telefax eingegangenen Einsprache – das weitere Vorgehen besprach, ohne diese auf die fehlende Originalunterschrift hinzuweisen, kann nichts für den Beschuldigten gewonnen werden. Der Beschuldigte kann sich insbesondere nicht auf den Grundsatz von Treu und Glauben, aus welchem der Schutz des Bürgers in das berechtigte Vertrauen auf behördliches Verhalten abgeleitet wird, berufen, weil die Bundesanwaltschaft weder durch ihr vorgängiges Verhalten den Eindruck erweckt hat, dass Eingaben per Telefax generell rechtsgenügend seien, noch eine dahin gehende spezifische Auskunft erteilt hat (zum Gutglaubensschutz vgl. BGE 129 II 361 E. 7.1; Urteil des Bundesgerichts 9C_739/2007 vom 28. November 2007 E. 1.4; SJZ 1998 S. 113 f. [Urteil des Kassationsgerichts Zürich vom 19. März 1997 E. 3d]). Im Gegenteil: Als die Rechtsanwältin mit Telefaxeingabe vom 13. Januar 2006, unter Beilage einer Vollmacht, der Bundesanwaltschaft anzeigte, sie übernehme die Vertretung und die Verteidigung des Beschuldigten (…), wurde sie umgehend aufgefordert, innert Frist – d.h. bis 10. März 2006 – eine Originalvollmacht einzureichen (…). In der Folge reichte sie zwei Tage vor Ablauf der Frist mit Schreiben vom 8. März 2006 eine Originalvollmacht ein (…). Der Verteidigerin war mithin bekannt, dass für bestimmte Verfahrenshandlungen eine Eingabe mit Originalunterschrift – damals jene des Vertretenen – erforderlich ist. Sie wurde überdies von der Bundesanwaltschaft mit Schreiben vom 31. Januar 2011 im Sinne einer Selbstverständlichkeit ersucht, “sämtliche Eingaben zu Handen der Verfahrensakten nicht per E-Mail, sondern auf dem Schriftweg zu machen” (…). Im Schreiben vom 8. März 2006 hatte die Verteidigerin mitgeteilt, sie kündige zur Fristwahrung die Einreichung der Vollmacht (sowie weiterer Unterlagen) per Fax an. Aus der Formulierung im drei Tage vor Ablauf der Einsprachefrist eingegangenen Fax-Schreiben der Verteidigerin, wonach “vorsorglich Einsprache” erhoben werde, durfte die Bundesanwaltschaft daher schliessen, es handle sich um eine Vorinformation, welcher noch bis zum Ablauf der Frist ein die “vorsorgliche Einsprache” bestätigendes Schreiben (mit Originalunterschrift) folgen würde. Die Bundesanwaltschaft hatte unter dieser Rücksicht keine Veranlassung, ausdrücklich auf das Erfordernis einer schriftlichen (postalischen) Eingabe hinzuweisen. Da auf dem Faxschreiben eine Unterschrift klar ersichtlich war, hatte die Bundesanwaltschaft auch nicht auf ein Fehlen der Unterschrift hinzuweisen, wie dies bei einer nicht-unterzeichneten postalischen Eingabe geboten gewesen wäre (BGE 114 Ia 20 E. 2b S. 24; vgl. vorne E. 3.3).