Fehlerhafte Verurteilung im schriftlichen Berufungsverfahren
Das Obergericht ZH hat einen Mann, der erstinstanzlich freigesprochen worden war, im schriftlichen Verfahren wegen Förderung der Prostitution (Art. 195 lit. c StGB) verurteilt. Hauptbeweismittel war eine Zeugin, die noch nie vor Gericht befragt worden war. Das konnte vor Bundesgericht kaum standhalten und tat es auch nicht (BGer 6B_1087/2019 vom 17.02.2021):
Wie der Beschwerdeführer zutreffend vorbringt, ergibt sich aus den vorinstanzlichen Erwägungen, dass die Aussagen der Beschwerdegegnerin 2 zu seiner Rolle als Drahtzieher im Hintergrund und damit zu der rechtlich relevanten Frage der Mittäterschaft bei der angeklagten Förderung der Prostitution das ausschlaggebende Beweismittel sind. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Beschwerdegegnerin 2 gemäss der vorinstanzlichen Würdigung angegeben habe, sie nehme an, der Beschwerdeführer habe C. gesagt, sie (C. ) solle sie (die Beschwerdegegnerin 2) schlagen, gehört habe sie es nicht. Jedoch habe sie einen Vorfall geschildert, bei dem sie selbst gehört habe, dass der Beschwerdeführer C. den Auftrag gegeben habe, sie (die Beschwerdegegnerin 2) zu schlagen und mit dem Messer zu schneiden, falls sie nicht gehorche. Die beiden Zeuginnen konnten gemäss den vorinstanzlichen Feststellungen vor allem berichten, was ihnen die Beschwerdegegnerin 2 erzählt hatte. Auch die von der Vorinstanz erwähnten objektiven Beweismittel vermögen für sich alleine den angeklagten Sachverhalt nicht zu beweisen, sondern ergeben nach Ansicht der Vorinstanz gemeinsam mit den Aussagen der Beschwerdegegnerin 2 ein stimmiges Bild. Folglich kommt den Ausführungen der Beschwerdegegnerin 2, welchen die Aussagen des Beschwerdeführers und von C. entgegenstehen, für die Erstellung des Sachverhalts grundlegende Bedeutung zu. Es ist von einer eigentlichen “Aussage gegen Aussage”-Situation auszugehen. Vor diesem Hintergrund und angesichts der nicht unerheblichen Schwere der Tatvorwürfe erscheint ein Verzicht auf eine Einvernahme sowohl der Beschwerdegegnerin 2 als auch des Beschwerdeführers als unzulässig. Eine sachgerechte und angemessene Beurteilung der Angelegenheit hätte vorliegend nach einer einlässlichen Befragung der beiden vorgenannten Personen verlangt. Dies gilt umso mehr, als dass bereits das erstinstanzliche Gericht auf die Durchführung einer Einvernahme der Beschwerdegegnerin 2 verzichtet hat und diese damit bis anhin noch von keinem Gericht persönlich einvernommen wurde. Die Befragung der Beschwerdegegnerin 2 und des Beschwerdeführers hätte es der Vorinstanz ermöglicht, einen persönlichen Eindruck von deren Aussageverhalten zu gewinnen, sie mit allfälligen Widersprüchen zu konfrontieren und Unklarheiten zu klären (vgl. Beschwerde S. 6). Die unmittelbare Beweisabnahme durch die Vorinstanz erscheint für die Urteilsfällung als notwendig. Das vorinstanzliche Urteil verletzt folglich Art. 343 Abs. 3 StPO. Die Erledigung im schriftlichen Berufungsverfahren verstösst zudem gegen Art. 406 und Art. 389 Abs. 3 StPO (E. 1.4).
Das Bundesgericht schreibt dem Obergericht ZH auch gleich vor, das mündliche Berufungsverfahren durchzuführen und die notwendigen Beweise zu erheben:
Die Sache ist zur Durchführung des mündlichen Berufungsverfahrens, zur Erhebung der notwendigen Beweise und zu neuer Entscheidung an die Vorinstanz zurückzuweisen (E. 2).