Feindselige Richter und unrichtige Verfahrenprotokolle
In einem von mittlerweile wohl über einem Dutzend Fällen zu Fragen der Spruchkörperbildung und des Ausstands im Kanton Bern hat das Bundesgericht kürzlich folgende Erwägungen veröffentlicht (BGer 1B_119/2018 vom 29.05.2018):
Zum Ausstandsgrund feindseliger Richter:
Aus dem Umstand, dass der Gesuchsgegner den Verteidiger unterbrach, ergibt sich ebenfalls kein Anschein der Befangenheit. Dem Verhandlungsprotokoll lässt sich in dieser Hinsicht entnehmen, dass der Verteidiger nach Ausführungen zum Entzug des amtlichen Verteidigungsmandats dazu überging, die Glaubwürdigkeit der Justiz zu kritisieren und insbesondere vorbrachte, er habe den Eindruck, man wolle ihn an der Berufsausübung behindern und ihm wirtschaftlichen Schaden zufügen. Er habe hierzu eine 500-seitige Eingabe an den Kanton erstellt. In nächster Zeit werde man davon noch in der Presse hören. Wenn der Gerichtspräsident in diesem Moment davon ausging, dass sich der Verteidiger nicht mehr zum in Frage stehenden Entzug des amtlichen Verteidigungsmandats äussere und ihn deshalb unterbrach, ist dies jedenfalls nicht als Ausdruck von Feindseligkeit zu werten (E. 6.6.3).
So weit so gut. Kritisch wird es aber dann doch, wenn Verfahrenprotokolle gleich mehrfach in wichtigen Punkten unrichtig sind (was ja zumindest objektiv einen Straftatbestand erfüllt):
Der Vorinstanz ist auch insoweit zuzustimmen, als sie in der fehlenden Protokollierung des Wortentzugs zwar einen Fehler, aber keinen Grund für die Annahme von Befangenheit erblickt. Wie erwähnt, sind prozessuale Rechtsfehler nur wesentlich, wenn sie besonders krass sind und wiederholt auftreten, sodass sie einer schweren Amtspflichtverletzung gleichkommen und sich einseitig zulasten einer der Prozessparteien auswirken. Dasselbe gilt für den unzutreffenden Protokolleintrag, wonach C. auf eine Stellungnahme verzichtet habe. Diese Ungenauigkeit schadete dem Beschwerdeführer nicht und kann auch nicht als Ausdruck einer negativen Haltung gegenüber dessen Verteidiger interpretiert werden. Der Gerichtsschreiber räumte im Übrigen später ein, dass ihm ein Fehler unterlaufen sei, da C. in Wahrheit gar nicht zu einer Stellungnahme aufgefordert worden sei, und entschuldigte sich dafür (E. 6.6.4).
Ein weiterer Grund dafür, die Verhandlungen endlich audiovisuell aufzuzeichnen.
kj hat wohl recht und audiovisuelle Aufzeichnungen dürften der Qualität vieler Verfahren und Befragungen dienen. Bis es aber soweit ist bleibt es halt dabei, Verfahrensschritte, nicht zugelassene verfälschte oder abgeänderte Fragen und deren Verweigerung gegebenenfalls wörtlich als solche zu protokollieren zu lassen, und wenn es gar nicht geht, schriflich nachzudoppeln. Auwändig aber immer noch besser als falsche und/oder unvollständige Protokolle. Was nicht in den Akten ist, existiert nicht.
Ob die Videoaufzeichnung i.c. zu einem an deren Ergebnis geführt hätte, wage ich zu bezweifeln.
@Hugo Feuz: Ja, das Ergebnis wäre (in diesem und in vielen anderen Fällen) kaum anders ausgefallen. Und trotzdem: unsere Protokollierungspraxis ist einfach peinlich.
Nach meiner Erfahrung führt auch der Parteimonitor eine effiziente Qualitätssteigerung des Protokolls: Befragte Person und Teilnahmeberechtigte können die Protokollführung per Beamer oder Zweitbildschirm mitverfolgen.
@Marc: Parteimonitor finde ich auch ein sehr gutes Instrument, das viel zu selten eingesetzt wird.
Dann sieht man auch grad die kommenden Fragen, was sehr praktisch ist um sich schon die Antworten zurechtlegen zu können…
Ich finde das gegenüber technischen Aufzeichnungen, die im nachhinein bei Verdacht auf relevante Abweichungen eingesehen werden können, keine sehr praktische Lösung. Anstatt aufmerksam zuzuhören, was gesagt wird, wird man durch den laufend aktualisierten Protokolltext, der mit dem Gesprochenen nie 1:1 übereinstimmt (vor allem bei Einvernahmen auf Mundart nicht), abgelenkt. Es ist so wie bei mit Text überladenen PowerPoint-Präsentationen, wo niemand mehr zuhört, was gesagt wird, oder deutschen Untertiteln bei einem deutschsprachigen Film.
Völlig richtig. Man muss sich einfach entscheiden, was man am Schluss in den Akten haben will. Die meisten Richter wollen Protokolle, nicht Videos. So gesehen ist der Parteimonitor-Verfahren einfach viel praktischer.
Liebe Kritiker der Staatsanwaltschaft
Fragt doch die protokollierende Person sofort nach der Protokollierung einer Antwort eures Mandanten, was sie aufgeschrieben hat, dann könnt ihr kontrollieren und intervenieren, falls das gesprochene Wort nicht dem Text entspricht. Ich finde es ist etwas billig, pauschal und ohne Anführen von konkreten Beispielen, sämtliche protokollierende Personen zu kritisieren und als unfähig und konspirativ zu erklären. Also nicht auf den Pianisten schiessen, er gibt sein Bestes ….
Ein unfähiger Staatsanwalt
@Friedrich Müller: Danke für den unsachlichen Kommentar zur bisher sachlich geführten Diskussion, an der übrigens auch Staatsanwälte teilgenommen haben. Es ging bis zu Ihrem Outing als unfähiger Staatsanwalt nicht um die Frage von Fähigkeiten, sondern um die Frage von Protokollierungstechniken.
Ich möchte einmal den Staatsanwalt sehen, der sich einen solchen Unterbruch – nach jeder Frage – länger als 1-2 Minuten gefallen lässt.
mein lieber Konrad
schade, dass du stets emotional antwortest.
Mein Vorschlag war durchaus sachlich gemeint, aber eben, man kann alles falsch verstehen …
ich bin sprachlos.