Flexibler Massnahmenvollzug
Wie „flexibel“ das schweizerische Straf- und Massnahmenvollzugsrecht insbesondere im Kanton Aargau mittlerweile ist, lässt sich einem heute ins Netz gestellten Bundesgerichtsentscheid entnehmen (BGer 6B_58/2014 vom 20.02.2014). Dabei geht es um die vom Vollzugsamt angestrebte Umwandlung einer Massnahme für junge Erwachsene (Art. 61 StGB) in eine kleine Verwahrung nach Art. 59 StGB. Die erste Instanz gab dem Wunsch der Verwaltung wie üblich nach, während Obergericht und jetzt auch das Bundesgericht nicht mitmachen. Sie halten es für nicht erstellt, dass die neue Massnahme im Hinblick auf den zu erreichenden Zweck offensichtlich besser geeignet sei als die bisherige, was das Bundesgericht aber voraussetzt:
Die Vorinstanz führt zu Recht aus, der Umstand, dass das Massnahmeziel bis zum Zeitablauf der Massnahme für junge Erwachsene möglicherweise nicht erreicht werden könne, lasse eine Massnahme nach Art. 59 StGB nicht als offensichtlich besser geeignet erscheinen (E. 1.7).
Der Verwaltung ging es natürlich darum, die zeitlich befristete 61er-Massnahme durch eine unbefristete 59er-Massnahme zu ersetzen, solange noch eine Reststrafe zu verbüssen war. Eine Umwandlung ist gemäss Bundesgericht aber erst zu prüfen, wenn die 61er-Massnahme erfolglos geendet hat. Das Bundesgericht zeigt auch auf, was die Konsequenzen sind:
Nach Ablauf der Höchstdauer von vier Jahren (Art. 61 Abs. 4 StGB) wird die Vollzugsbehörde zu prüfen haben, ob der Beschwerdegegner das Massnahmeziel erreicht hat und bedingt entlassen werden kann (vgl. Art. 62 StGB). Gelangt sie zur gegenteiligen Auffassung, hat sie die Massnahme für junge Erwachsene gemäss Art. 61 StGB aufzuheben (Art. 62c Abs. 1 lit. b StGB). Die Massnahme gilt als gescheitert (siehe Marianne Heer, a.a.O., N. 22 f. zu Art. 62c StGB). Erweist sich der Beschwerdegegner zu diesem Zeitpunkt immer noch als massnahmebedürftig und massnahmefähig kann die Vollzugsbehörde dem Gericht beantragen, eine andere Massnahme anzuordnen (Art. 62c Abs. 3 StGB). Dieses hat zu prüfen, ob die Voraussetzungen für eine andere therapeutische Massnahme erfüllt sind (zum Ganzen Marianne Heer, a.a.O., N. 39 ff. zu Art. 62c StGB) [E. 1.7].
Dass dies – in engen Grenzen, aber wir sind ja flexibel – möglich ist, war der Verwaltung nicht bewusst. Das Bundesgericht verweist auf seine aktuelle nicht publizierte Rechtsprechung, die mir leider auch entgangen war:
Der Einwand der Beschwerdeführerin geht fehl, nach Ablauf der Höchstdauer der Massnahme für junge Erwachsene könne keine stationäre therapeutische Massnahme im Sinne von Art. 59 StGB angeordnet werden, da keine Reststrafe mehr zu vollziehen sein werde. Nach bundesgerichtlicher Rechtsprechung kann eine stationäre therapeutische Massnahme nach Art. 59 ff. StGB in klaren Ausnahmefällen und unter strenger Berücksichtigung des Verhältnismässigkeitsgebots auch nach vollständiger Verbüssung der Strafe angeordnet werden (Urteil 6B_705/2013 vom 10. Dezember 2013 E. 4.2 mit Hinweis auf BGE 136 IV 156 E. 4.1; siehe zum alten Recht Urteil 6P.110/2005 vom 20. Dezember 2005 E. 4.2 mit Hinweis auf BGE 128 I 184 E. 2.3.2 und Urteil 6S.265/2003 vom 21. November 2003 E. 4) [E. 1.7].