Fluchtgefährdete Ausländer

Immer wieder kritisiere ich hier die Praxis des Bundesgerichts bei Haftbeschwerden. Neuen Anlass dazu gibt mir ein heute online gestellter Entscheid zur Fluchtgefahr (BGer 1B_132/2008 vom 30.05.2008).

Bei der Fluchtgefahr erinnert das Bundesgericht an seine Praxis, wonach die Schwere der drohenden Strafe allein nicht ausreiche, um Fluchtgefahr zu begründen:

Vielmehr müssen die konkreten Umstände des betreffenden Falles, insbesondere die gesamten Lebensverhältnisse des Angeschuldigten, in Betracht gezogen werden (BGE 125 I 60 E. 3a S. 62; 117 Ia 69 E. 4a S. 70, je mit Hinweisen). Zu berücksichtigen sind beispielsweise die familiären und sozialen Bindungen des Häftlings, dessen berufliche Situation und Schulden sowie Kontakte ins Ausland und Ähnliches (E. 3.3).

Der vorliegende Fall zeigt, dass die zitierte Rechtsprechung des Bundesgeichts – vor allem bei ausländischen Staatsangehörigen – eine inhaltslose Formel darstellt. Im konkreten Fall begründet das Bundesgericht die Fluchtgefahr wie folgt:

Dennoch stellt der Strafantrag der Staatsanwaltschaft an der Hauptverhandlung von 5 ½ Jahren Freiheitsstrafe ein neues Element dar. Eine Verurteilung in dieser Grössenordnung würde mit grosser Wahrscheinlichkeit (wenn auch nicht zwingend) den Widerruf der Niederlassungsbewilligung nach sich ziehen (vgl. Art. 63 i.V.m. Art. 62 lit. b des Bundesgesetzes vom 16. Dezember 2005 über die Ausländerinnen und Ausländer [AuG; SR 142.20]). Muss der Beschwerdeführer deshalb ernsthaft damit rechnen, dass er die Schweiz ohnehin verlassen muss, erscheint die Versuchung, dies vor einer allfälligen Verurteilung und Vollstreckung einer langjährigen Freiheitsstrafe zu tun, gross. Hinzu kommt, dass der Beschwerdeführer, der seine Jugend in Tunesien verlebt hat, dort noch über familiäre und freundschaftliche Beziehungen verfügt. Es erscheint auch nicht von vornherein ausgeschlossen, dass ihm B. und ihre Kinder nach Tunesien folgen könnten (E. 3.3).

Fazit: Ausländer sind fluchtgefährdet und können beliebig lange in Untersuchungshaft belassen werden.