Föderalistisches Anwaltsrecht
Ein Anwalt, der in einem Disziplinarverfahren mit einem sechsmonatigen Berufsverbot belegt worden war, beschwerte sich dagegen erfolglos beim Bundesgericht (2P.318/2006 vom 27.07.2007). Der mehrfach vorbelastete Kollege hatte gemäss Sachverhaltsdarstellung des Bundesgerichts
- seiner Klientin die (subsidiär geltende) kantonale Honorarordnung (HonO/SG) verschwiegen,
- eine übersetzte Honorarforderung geltend gemacht (sie bewegte sich im Ergebnis zwar im Rahmen der HonO, aber der Stundenansatz war mit CHF 300.00 zu hoch. Hier scheiterte die Beschwerde wohl an der falschen Begründung; vgl. dazu E. 9 des Entscheids),
- von seiner Klientin eine Schuldanerkennung verlangt und
- sich Krankentaggeldansprüche seiner Klientin und damit deren einzige Einnahmequelle abtreten lassen.
Ohne das Verhalten des Rechtsanwalts in irgend einer Weise verteidigen zu wollen, stellt sich bei der Lektüre des Entscheids doch die eine oder andere Frage bezüglich der BGFA-Berufspflichten und der Wirtschaftsfreiheit Art. 27 BV) von Rechtsanwälten. Hier ein paar Auszüge mit meinen Hervorhebungen und Bemerkungen:
Indem es der Beschwerdeführer unterlassen hat, die Anzeigerin entsprechend zu informieren, verstiess er gegen Art. 30 f. AnwG/SG in Verbindung mit Art. 2 Abs. 3 HonO/SG und damit gleichzeitig gegen Art. 12 lit. i BGFA (E. 8.2). [Anwälte in Kantonen ohne solche kantonalrechtliche Informationspflichten verletzen die Berufspflichten, die ja doch bundesrechtlicher Natur sind, nicht. Ob das tatsächlich der Wille des Bundesgesetzgebers war?]
Dass ein öffentliches Interesse an einer Honorarordnung besteht, die bei Fehlen einer gültigen besonderen Vereinbarung zwischen Rechtsanwalt und Klient subsidiär zur Anwendung kommt, ist offensichtlich (Ziff. 8.3.2) [Wenn Anwälte von Offensichtlichkeit sprechen, fehlen ihnen in der Regel die Argumente. Gleiches gilt bisweilen vielleicht auch für Gerichte].
Zwar ist vorliegend betreffend das eigentliche Mandat – die Vertretung im Verfahren auf fürsorgerische Freiheitsentziehung – kein Interessenkonflikt ersichtlich. Die Treuepflicht des Rechtsanwalts gegenüber seinem Klienten ist jedoch umfassender Natur (vgl. Martin Sterchi, Kommentar zum bernischen Fürsprechergesetz, Bern 1992, N 1 zu Art. 13) und erstreckt sich auf alle Aspekte des Mandatsverhältnisses (E. 11.1). [Der Anwalt] wird gerade auch von Leuten mit der Interessenwahrung betraut, die bereits in finanziellen Problemen stecken, und muss deshalb – soweit nicht eine unentgeltliche Prozessführung in Frage kommt – sicherstellen dürfen, dass er seine Dienstleistungen nicht entschädigungslos zu erbringen hat. Er hat dabei allerdings in geeigneter Weise vorzugehen und gegebenenfalls auf die besonderen Verhältnisse des Einzelfalls Rücksicht zu nehmen (E. 11.2) [Diese Erwägung darf wahrscheinlich nur unter dem Aspekt des konkreten Einzelfalls gelten. Es wird kaum Auffassung des Bundesgerichts sein, dass Anwälte im Gegensatz zu allen anderen Wirtschaftssubjekten nicht berechtigt sein sollen, ihren Honoraranspruch zu sichern. Und der konkrete Einzelfall ist tatsächlich krass, wie die nachfolgende Erwägung nochmals eindrücklich zeigt].
Der Beschwerdeführer musste bereits früher wegen zweier schwerer Verletzungen der Berufspflichten diszipliniert werden: Am 26. August 2002 belegte ihn die Anwaltskammer des Kantons St. Gallen mit einem auf sechs Monate befristeten Berufsausübungsverbot, weil er zum einen eine Urkunde gefälscht und zum andern von seiner Mandantin ein Honorar eingefordert hatte, obschon er als – vom Kanton bezahlter – unentgeltlicher Rechtsbeistand eingesetzt war (vgl. Urteil 2P.103/2003 vom 2. Mai 2003). Zuvor war er wegen der erwähnten Urkundenfälschung bereits von den Strafbehörden zu einer (bedingt vollziehbaren) Gefängnisstrafe von 14 Tagen verurteilt worden (vgl. Urteil 6S.376/2001 vom 13. November 2001). Eine weitere Verletzung der Berufspflichten hat er begangen, indem er sich in zwei Telefonverzeichnissen unter einer täuschenden und irreführenden Bezeichnung hat eintragen lassen; mit Blick auf das verhängte Berufsausübungsverbot wurde diesbezüglich jedoch keine zusätzliche Disziplinarmassnahme ergriffen (Urteil des Kantonsgerichts St. Gallen vom 26. Juni 2003). Nunmehr hat sich der Beschwerdeführer einen ganzen Komplex von Regelverstössen zu Schulden kommen lassen, wobei er ganz offensichtlich verkennt, dass – auch wenn jede Berufspflichtverletzung für sich allein genommen nur mittelschwerer Natur sein mag – diese insgesamt doch schwer wiegen. Mit Blick auf das geschilderte bisherige berufliche Verhalten des Beschwerdeführers sowie dessen völlige Uneinsichtigkeit ist das Verhängen eines befristeten Berufsausübungsverbots nicht zu beanstanden (E. 12.2).