Formalistisches zur Siegelung nach VStrR
Bekanntlich werden die Modalitäten der Siegelung je nach anwendbarem Prozessrecht (StPO / VStrR) völlig unterschiedlich gehandhabt. Dabei soll es auch weiterhin bleiben.
In einem aktuellen Entscheid weist die Beschwerdekammer des Bundesstrafgerichts einen “Siegelungsantrag” mit sehr formalistisch anmutender Begründung ab (BStGer BV.2019.21 vom 17.06.2019). Sie hängt die Einsprecher an der Formulierung ihres “Antrags” auf:
Die Beschwerdegegnerin wies den Antrag auf Siegelung mit der Begründung ab, dass sich der an der Hausdurchsuchung anwesende H. unmittelbar einer Durchsuchung der Unterlagen hätte widersetzen müssen. Die tags darauf erklärte Einsprache sei zu spät erfolgt. Ausserdem liege keine plausible Begründung für eine nachträgliche Versiegelung der am 5. März 2019 sichergestellten Akten vor (act. 2.10 S. 2). Es ist unbestritten, dass der einzelzeichnungsberechtigte Verwaltungsrat der Beschwerdeführerin, H., an der Hausdurchsuchung vom 5. März 2019 in den Räumlichkeiten der Beschwerdeführerin zugegen war. Den Akten ist zu entnehmen, dass er über den Grund der Durchsuchung unterrichtet und auf die Bestimmungen von Art. 50 Abs. 3 VStrR und Art. 26-28 VStrR hingewiesen worden war (act. 2.4). Die Beschwerdegegnerin führt hierzu aus, dass H. bereits zu Beginn der Hausdurchsuchung über die Möglichkeit einer Einsprache und deren Folgen (Entsiegelungsverfahren bzw. Kostenfolgen) orientiert worden sei. Praxisgemäss sei H. sodann während der Hausdurchsuchung wiederholt auf das Siegelungsrecht hingewiesen worden, zuletzt bei der Ausfertigung des Protokolls über die sichergestellten Akten (act. 2 S. 4). Demgegenüber macht die Beschwerdeführerin geltend, H. sei als juristischer Laie nicht hinreichend über das Siegelungsrecht, die kurze Verwirkungsfrist und die Folgen einer unterlassenen Siegelung informiert worden (act. 1 S. 6). Zunächst ist festzuhalten, dass es sich bei der Beschwerdeführerin um eine Treuhandgesellschaft handelt und dass H. als einzelzeichnungsberechtigter Verwaltungsrat der Beschwerdeführerin über gewisse grundlegende juristische Kenntnisse verfügen dürfte. Der Argumentation der Beschwerdeführerin widerspricht sodann der Umstand, dass H. mit Schreiben vom 6. März 2019, mit welchem er nachträglich die Siegelung verlangte, nicht etwa geltend machte, er habe die Bestimmungen zur Siegelung nicht verstanden bzw. sei einem Irrtum oder einem anderen Willensmangel unterlegen oder er sei von der Beschwerdegegnerin nicht hinreichend auf seine Rechte informiert worden, als er auf die Siegelung verzichtet hatte. Aus dem Schreiben geht vielmehr hervor, dass die Siegelung ausschliesslich im Interesse Dritter verlangt worden ist. Als einzige Begründung für die Siegelung wird nämlich ausgeführt: «Unsere Mandanten und deren Anwalt dringen jedoch darauf, dass diese Aktenschachteln nachträglich versiegelt werden» (act. 2.5). Gestützt auf die dargelegte Rechtsprechung war die Beschwerdeführerin jedoch nicht legitimiert, allfällige Geheimnisschutzinteressen Dritter in ihrem eigenen Namen geltend zu machen. Der nachträglich gestellte Siegelungsantrag wurde daher im Ergebnis zu Recht abgewiesen. Ob der Siegelungsantrag fristgerecht gestellt worden ist, braucht unter diesen Umständen nicht geprüft zu werden (E. 3.2).
Man hätte das Schreiben somit wie folgt formulieren müssen: “Unsere Mandanten und deren Anwalt drängen darauf, dass wir hiermit Einsprache gegen die Durchsuchung erheben.”
Link zum Urteil NOK
Danke für den Hinweis, sollte jetzt funktionieren.
Niemand muss sich selbst belasten. Durch die Nichtsiegelung (der Beweismittel gegen ihn) belastet sich aber der Beschwerdeführer selbst in einer inhärenten Drucksituation, nämlich die der erzwungenen Polizeipräsenz in seinem Betrieb.
Er kann zwar auf sein Recht verzichten. Damit dieser Verzicht gültig ist, muss er indes einer Willensentscheidung entspringen, dh der Beschwerdeführer muss in einer ihm verständlichen Sprache darüber informiert worden sein, dass er die Siegelung verlangen kann, dass alles, was er nicht siegeln lässt, vor einem Gericht gegen ihn verwendet werden kann und wird, dass er einen Anwalt beiziehen kann, und dass er, wenn er sich keinen leisten kann, einen amtlichen Anwalt beigestellt erhalten kann. Ohne diesen Hinweis können die Unterlagen nicht in den Strafprozess eingeführt werden. Der Nachweis obliegt der in der Sache allein beweispflichtigen Strafverfolgung.
Dass er juristische Basiskenntnise haben dürfte, dass ihm die Hausdurchsuchung begründet wurde, dass er nicht geltend mache, er habe die ihm mehrfach vorgelesenen seitenlangen Artikel 50 Abs 3 und 26 bis 28 VSTR nicht verstanden, dass er während der Zwangsausübung nichts gesagt habe, dass er seinen Rechteverzicht selbst unterschrieben habe, dass er sein ihm zustehendenes Siegelungsrecht verkehrt begründe, dass er einen Willensmangel während des Zwangs nicht behaupte, wie Beschwerdegegnerin und Gericht im von kj zitierten Teil ausführen, spielt alles rechtlich keine Rolle, niemand heisst niemand.
Es gilt ausschliesslich der Nachweis einer informierten Entscheidung dieses Rechteinhabers in einer ihm verständlichen Sprache. Kein solcher Nachweis lässt sich dem Urteil entnehmen, was der Einführung der Unterlagen im Strafprozess im Weg steht.