Formelle Verteidigung nicht geboten?

Man kann dem Bundesgericht kaum vorwerfen, es lege Art. 132 Abs. 1 lit. b StPO (gebotene amtliche Verteidigung) nicht dem Willen des Gesetzgebers entsprechend aus. Dieser hat das Gesetz so ausgestaltet, dass es die Gerichte dazu verpflichtet, den Anspruch auf amtliche Verteidigung eng zu halten.

In einem aktuellen Fall weist es eine Beschwerde gegen die Verweigerung der amtlichen Verteidigung u.a. mit folgenden Erwägungen ab (BGer 1B_318/2018 vom 28.09.2018):

Im Rahmen einer Gesamtwürdigung vermag die geltend gemachte Suchterkrankung die amtliche Verteidigung im vorliegenden Fall dennoch nicht zu rechtfertigen. Die Beschwerdeführerin stellt nicht konkret in Abrede, über eine gute Schulbildung zu verfügen. Auf der Grundlage der dem Bundesgericht zur Verfügung gestellten Verfahrensakten ergibt sich, dass sie mithilfe eines Übersetzers in der Lage ist, einer Einvernahme zu folgen und ihren Standpunkt sachgerecht zu vertreten. Zur Überwindung sprachlicher Barrieren ist die Verteidigung nicht erforderlich. Die Beschwerdeführerin ist aufgrund vergangener Strafverfahren mit dem hiesigen Rechtssystem vertraut und wurde bereits wegen identischer bzw. ähnlicher Delikte verurteilt. Die rechtlichen Fragen, die sich im Zusammenhang mit einer Erkrankung wie Kleptomanie als Antrieb für Ladendiebstähle stellen, sind überschaubar und auch für juristische Laien verständlich. Es lässt sich erwarten, dass die Beschwerdeführerin die von ihr angestrebte psychiatrische Begutachtung in geeigneter Weise allein zu beantragen vermag. Dabei ist es ihr unbenommen, den genannten Bericht der UPK als Argument für einen solchen Antrag zu verwenden. Dafür benötigt sie den Beizug eines Verteidigers nicht. Ebenso wenig tut sie substanziiert dar noch ist ersichtlich, inwiefern die von ihr angesprochenen Organ- und HIV-Krankheiten sie in der Fähigkeit, sich selbst zu verteidigen, einschränken sollen (E. 2.5, Hervorhebungen durch mich).

Schwer verständlich ist das Argument, dass andere Verurteilungen wegen “identischer oder ähnlicher Delikte” als Argument nicht etwa für, sondern gegen die amtliche Verteidigung herangezogen werden. Im vorliegenden Fall hätte der Beschwerdeführer aber wohl nicht die Verletzung von Art. 132 StPO, sondern diejenige von Art. 130 StPO rügen sollen. Ob er damit erfolgreicher gewesen wäre, ist allerdings alles andere als sicher.