Frag bloss nicht den Vater, und schon gar nicht, wenn er Rechtsanwalt ist!
Das Bundesgericht bestätigt in BGer 6B_393/2008 vom 08.11.2008 eine Verurteilung wegen Hinderung einer Amtshandlung (Art. 286 StGB). Der Verurteilung lag folgender Sachverhalt zu Grunde:
Am Abend des 24. Juni 2006 fand in einem Partyraum des Allmendhofs in Beinwil-Freiamt ein Anlass von Rechtsradikalen statt. Um ca. 21:45 Uhr begaben sich 7 Beamte der Kantonspolizei Aargau und der Regionalpolizei Muri zum Allmendhof, um zu kontrollieren, ob dort strafbare Handlungen stattfänden. Dabei wurde ihnen der Zutritt durch rund 20 Personen, darunter X. und Y., die sich in zwei bis drei Gliedern vor der Polizei aufstellten, während rund 15 – 20 Minuten verwehrt. Erst als die Polizei den Vermieter des Lokals herbeiführte und dieser die Kontrolle billigte, liess die Gruppe nach insgesamt rund 35 Minuten zwei Polizeibeamte in den Partyraum (E. A).
Die Beschwerdeführer beriefen sich u.a. auf Rechtsirrtum. Der Beschwerdeführer X. habe sich bei seinem Vater, der Rechtsanwalt ist, telefonisch danach erkundigt, ob die Polizei den Partyraum betreten dürfe. Daran werden die Beschwerdeführer nun „aufgehängt“:
Die Beschwerdeführer hielten sich nach ihren Vorbringen für berechtigt, die Polizeibeamten abzuweisen in der irrigen Annahme, die von diesen angeordnete Hausdurchsuchung sei nichtig. Sie machen damit einen Rechts- bzw. Verbots-, nicht einen Sachverhaltsirrtum geltend (zur Abgrenzung: BGE 129 IV 238 E. 3). Ein solcher kann ihnen indessen nicht zugute gehalten werden. Nach den obergerichtlichen Feststellungen, die keineswegs offensichtlich falsch und damit für das Bundesgericht verbindlich sind (Art. 105 Abs. 1 und 2 BGG), wussten beide Beschwerdeführer, dass die Polizei unter gewissen Umständen befugt ist, eine Hausdurchsuchung ohne schriftlichen Befehl vorzunehmen. Sie hatten daher keinen vernünftigen, nachvollziehbaren Grund zur Annahme, sie seien berechtigt, sich über die Anordnung der Polizeibeamten, ihnen Zutritt zum Partyraum zu gewähren, hinwegzusetzen. Sie waren davon auch keineswegs überzeugt, sonst hätten sie nicht – notabene nachdem den Polizisten der Zutritt verweigert worden war – bei Rechtsanwalt A.X., ob sie dies dürften, und sie hätten sich unter diesen Umständen auch nicht blind auf dessen (fragwürdige) Rechtsauskünfte verlassen und sich über die (anderslautenden) Erklärungen der zuständigen Polizeibeamten vor Ort hinwegsetzen dürfen. Die Beschwerdeführer mussten somit von Anfang an ernsthafte Zweifel daran gehabt haben, ob sie zum Widerstand gegen die Hausdurchsuchung befugt waren, und das Telefonat mit Rechtsanwalt A.X. war nicht geeignet, diese völlig zu zerstreuen. Dies schliesst die Annahme eines Rechtsirrtums aus (E. 2.4, Hervorhebungen durch mich).
Anzufügen ist, dass Polizeirecht weitgehend kantonales Recht ist. Im „Polizeistaat Aargau“ war die Polizei offenbar im Recht. Der Fall schreit nach Strassburg.
Was würden Sie denn in Strassburg rügen?
Ich halte den Entscheid auch für falsch, aber nicht wegen einer Verletzung der EMRK, sondern weil ein Irrtum über ein normatives TB-Merkmal vorliegt, d.h. ein Sachverhaltsirrtum, kein Rechtsirrtum. Wobei dann immer noch hätte geprüft werden müssen, ob die Täter davon ausgingen, die Amtshandlung sei geradezu nichtig.
Vgl. BGE 129 IV 238, auf den der Entscheid übrigens verweist, sowie 116 IV 155, wonach einem Sachverhaltsirrtum unterliegt, wer meint, die an einem Samstag vollzogene Betreibungshandlung sei nichtig.