Fragerecht und Konfrontation

Das Recht, Ergänzungsfragen an eine Belastungszeugin zu stellen, wird vom Bundesgericht offenbar sehr eng ausgelegt und mit dem Konfrontationsanspruch gleichgesetzt.

Gemäss Bundesgericht ist es zulässig, eine Ergänzungsfrage der Verteidigung nicht zuzulassen, weil die Opferzeugin diese Frage im Verfahren bereits einmal beantwortet habe (BGer 6B_1294/2015 vom 18.05.2016):

Die Beschwerdegegnerin 2 wurde am 27. August 2012 wenige Stunden nach der mutmasslichen Tat polizeilich einvernommen. Am 15. Oktober 2012 wurde sie von der Staatsanwaltschaft unter anderem im Beisein des Verteidigers des Beschwerdeführers befragt. Dabei erhielt der Verteidiger Gelegenheit, der Beschwerdegegnerin 2 Ergänzungsfragen zu stellen, wovon er auch Gebrauch machte (…). Damit hatte der Beschwerdeführer bzw. dessen Verteidiger bereits in der Untersuchung die Möglichkeit, Ergänzungsfragen an die Beschwerdegegnerin 2 zu richten und die Glaubhaftigkeit ihrer Aussagen zu überprüfen sowie deren Beweiswert infrage zu stellen. Besondere Umstände, welche die Möglichkeit einer ergänzenden Befragung als notwendig erscheinen liessen, macht der Beschwerdeführer zu Recht nicht geltend. Damit wurde sein verfassungs- und konventionsrechtlicher Konfrontationsanspruch gewahrt. Dass Art. 6 Ziff. 3 lit. d EMRK hinsichtlich der Frage der Zulassung von Ergänzungsfragen weitergehende Rechte gewährt, macht der Beschwerdeführer nicht geltend (E. 4.2).

Beim Konfrontationsanspruch und dem Recht, Ergänzungsfragen zu stellen, handelt es sich meines Wissens nicht um dasselbe. Abgesehen davon erkenne ich nicht, wie man die Glaubhaftigkeit einer Aussage überprüfen kann, wenn man Fragen nicht wiederholen darf. Ist es nicht geradezu Pflicht des Richters, Fragen zu wiederholen, die bereits im Vorverfahren beantwortet wurden? Wieso soll die Verteidigung dazu nicht einmal berechtigt sein? Das Bundesgericht führt dazu im Ergebnis aus, der Verteidiger habe darauf ja verzichtet:

Dem Beschwerdeführer ist zuzustimmen, dass seine Frage bzw. Aufforderung, die Beschwerdegegnerin 2 solle nochmals möglichst detailliert das Kerngeschehen schildern, klarerweise mit dem zu beurteilenden Sachverhalt zusammenhing und weder suggestiv noch rhetorisch war. Indessen ist nicht zu beanstanden, wenn die Koreferentin zum Schluss gelangte, dass die Beschwerdegegnerin 2 die Ergänzungsfrage bereits beantwortet hatte. Die Beschwerdegegnerin 2 führte in ihrer freien Rede vor Vorinstanz zu den sexuellen Handlungen aus, sie sei am Boden gelegen und der Beschwerdeführer habe sie von vorne angegriffen, das heisse, er habe sie zuerst von vorn vergewaltigt. Als sie ihm zwischen die Beine getreten habe, sei er noch wütender geworden, habe sie herumgedreht und sie auch noch von hinten genommen (…). Auf die späteren Fragen der Koreferentin antwortete sie unter anderem, als sie auf dem Rücken gelandet sei, habe er sie gepackt und sie von vorn sowie dann von hinten vergewaltigt (…). Folglich beschrieb die Beschwerdegegnerin 2 den konkreten Hergang des Vorfalls bereits auf Frage der Koreferentin. Da die Ergänzungsfrage der Verteidigung bereits beantwortet war, verletzte die Vorinstanz kein Bundesrecht, indem sie diese nicht zuliess. Soweit der Beschwerdeführer argumentiert, ihm sei damit die Möglichkeit verwehrt worden, die Glaubhaftigkeit der Aussagen der Beschwerdegegnerin 2 im zentralen Bereich zu überprüfen, verkennt er, dass er die Gelegenheit erhielt, weitere, allenfalls konkretere Ergänzungsfragen zu stellen, worauf er verzichtete (…). Ob Aussagen widersprüchlich sowie lückenhaft bzw. wie sie zu würdigen sind und zu welchem Schluss sie führen, ist eine Frage der Aussage- sowie Beweiswürdigung (E. 4.3).

Der Verteidiger hatte vielleicht gute Gründe, seine Ergänzungsfragen nicht im Vorverfahren zu stellen.