Fragwürdiger Anwaltsausschluss

Das Bundesstrafgericht (I. Beschwerdekammer) hat mit Urteil vom 12.04.2007 (BB.2006.131) eine Verfügung der Bundesanwaltschaft bestätigt, mit der ein Anwalt von der privaten Verteidigung seines Mandanten wegen Verletzung der Berufspflichten ausgeschlossen wurde. Der Entscheid enthält einen theoretischen Teil, der kaum überzeugt, und einen durchaus eindrücklichen praktischen Teil, der mögliche Interessenkonflikte des Anwalts – teils mit dem Anwaltsgeheimnis unterliegenden Korrespondenz – klar bennent. Aus den theoretischen Erwägungen:

Ein verbotener Interessenkonflikt liegt vor, wenn der Anwalt die Wahrung der Interessen eines Klienten übernommen hat, und dabei Entscheidungen zu treffen hat, mit denen er sich potentiell in Konflikt zu eigenen oder anderen ihm zur Wahrung übertragenen Interessen begibt. Untersagt ist nicht nur die Vertretung der Interessen eines Klienten, die denjenigen eines anderen Mandanten direkt entgegenstehen. Der Anwalt darf auch keinen Dritten vertreten, dessen Interessen diejenigen des Klienten in irgendeiner Weise beeinträchtigen könnten (FELLMANN, in: Fellmann/Zindel [Hrsg.], Kommentar zum Anwaltsgesetz, Zürich 2005, N. 84 zu Art. 12 BGFA). In zeitlicher Hinsicht gilt der Grundsatz, dass der Anwalt nach Beendigung eines Auftragsverhältnisses gegen einen ehemaligen Klienten ein Mandat nur annehmen kann, wenn dieses mit dem seinerzeitigen Auftrag in keinem Zusammenhang steht (STUDER, Neue Entwicklungen im Anwaltsrecht, in: SJZ 100 [2004] S. 229, 235). Je enger der Zusammenhang des neuen Mandats mit dem abgeschlossenen Auftrag ist, desto eher muss der Anwalt mit der Möglichkeit der Verwertung von Kenntnissen aus dem abgeschlossenen Mandat rechnen (FELLMANN, a.a.O., N. 109 zu Art. 12 BGFA). Im Strafprozess ist es grundsätzlich ausgeschlossen, dass ein Anwalt im gleichen Verfahren zwei oder gar mehrere Angeschuldigte vertritt, da eine Doppelvertretung bei objektiver Betrachtung stets die Möglichkeit eines Interessenkonflikts in sich birgt. Das Bestehen eines Interessenkonflikts ist in abstrakter Weise zu evaluieren. In dieser Hinsicht genügt die theoretische Möglichkeit, dass sich ein Interessenkonflikt im Verlauf des Verfahrens verwirklicht. Die allfällige Zustimmung des Klienten zur Doppelvertretung ändert daran nichts (TPF BK_B 163/04 vom 7. Februar 2005 E. 5, TPF BK_B 109/04 und 110/04 vom 18. August 2004 E. 3.1 je m.w.H.; Pra 87 [1998] Nr. 98 E. 3.c). (E. 3, Hervorhebungen durch mich).

Dazu folgende Bemerkungen:

  1. Die Ausführungen über die anwaltlichen Pflichten sind wohl zutreffend, auch wenn die bloss abstrakte Gefahr einer Interessenkollision ja eigentlich niemals ausgeschlossen werden kann. Eine zu strenge Praxis führte daher letztlich zum Ausschluss privater Verteidiger.
  2. Was im zitierten Entscheid völlig ausgeblendet blieb ist die Frage, ob der Bundesanwalt einen privat bestellten Verteidiger wegverfügen darf (eine gesetzliche Grundlage wäre mir jedenfalls nicht bekannt) und ob es Aufgabe der Staatsanwälte ist, die Einhaltung der Berufspflichten ihrer “Gegenanwälte” zu überwachen, was gross in Mode zu kommen scheint. Faktisch hiesse das doch nichts anderes, als dass die Strafverfolger Aufsichtsbehörde über die Rechtsanwälte spielten. Das hat mit einem waffengleichen Verfahren nun aber herzlich wenig zu tun.
  3. Richtig wäre m.E. folgender Ansatz, jedenfalls bei der nicht notwendigen Verteidigung: Gerät ein Anwalt unter begründeten Verdacht, Berufspflichten zu verletzen, ist die Aufsichtsbhörde zu orientieren. Diese hat alsdann darüber zu entscheiden. Erst ein Entscheid der Aufsichtsbehörde und eine entsprechende gesetzliche Grundlage berechtigt die Staatsanwaltschaft, einen privaten Verteidiger auszuschliessen. Bis zum Entscheid ist dem Beschuldigten ein amtlicher Verteidiger zu bestellen.