Freiheitsstrafe nach einer Straftat vor 23 Jahren
Das Bundesgericht hat heute ein Urteil veröffentlicht, für das es knapp zwei Jahre brauchte. Thema waren die Folgen der Verletzung des Beschleunigungsgebots durch die Vorinstanzen. Die Beschwerde wurde abgewiesen mit der Begründung, die Vorinstanz habe die Verletzung durch Strafreduktion von knapp dreieinhalb Jahren hinreichend berücksichtigt (BGer 7B_279/2022 vom 24.06.2024):
Das sachrichterliche Ermessen bei der Strafzumessung ist weit und die gewährte Strafreduktion von 3 Jahren und 5 Monaten aufgrund der Verletzung des Beschleunigungsgebots liegt innerhalb dieses weiten Ermessensspielraums. Dabei hat die Vorinstanz sowohl der Komplexität des Falles als auch den eingetretenen Verfahrensverzögerungen Rechnung getragen. Wie die Vorinstanz zutreffend ausführt, dauerte das vorliegende Verfahren aussergewöhnlich lange. Dementsprechend fällt die Strafreduktion, mit der die Zusatzstrafe um rund die Hälfte reduziert wurde, erheblich aus. Dass die Vorinstanz für die bis zum Erlass des erstinstanzlichen Urteils eingetretenen Verfahrensverzögerungen eine höhere Strafreduktion gewährte als für das Rechtsmittelverfahren, ist nicht zu beanstanden, zumal dabei nicht nur die Dauer ab dem Zeitpunkt der Anklageerhebung, sondern auch die Dauer des Vorverfahrens berücksichtigt wird. Wie sich aus den vorinstanzlichen Erwägungen ergibt, lässt die Vorinstanz bei ihrer Würdigung sodann nicht ausser Acht, dass die erste Instanz die Frist zur Begründung des Urteils überschritten hat. Der Beschwerdeführer führt zwar in allgemeiner Weise aus, dass ein Strafverfahren mit zunehmender Dauer zu einer Belastung für die betroffene Person werde. Inwiefern das Strafverfahren aufgrund seiner Länge aber für den Beschwerdeführer konkret zu einer derart grossen Belastung geführt haben soll, dass sie durch die bereits gewährte Strafreduktion nicht aufgewogen würde, legt der Beschwerdeführer nicht dar (E. 2.6).
Das Bundesgericht hielt es nicht für nötig, sich zur eigenen Verletzung des Beschleunigungsgebots zu äussern oder “seine” zwei Jahre irgendwie zu berücksichtigen. Das ist auch deshalb stossend, weil die Verletzung des Beschleunigungsgebots im selben Straffall bereits bei der ersten BGG-Beschwerde Thema (BGer 6B_1138/2020 vom 02.11.2021) war, damals aber nicht behandelt wurde, weil die Beschwerde aus anderen Gründen gutzuheissen war.
Der Hauptvorwurf bezieht sich übrigens auf eine Straftat, die vor 23 Jahren begangen wurde. Ob sich der Beschwerdeführer daran erinnerte, wieso er nun ins Gefängnis muss, ist weder bekannt noch relevant. Er ist vor kurzem verstorben.
Das erste was künstliche Intelligenz wegrationalisieren MUSS sind diese Clowns mit Ihrem weiten Ermessen welches im direkten Wiederspruch zur Rechtsgleichheit steht. Jede KI wirf fairer und besser urteilen als Richter mit Ihren fehlgeleitetenf Moralischen und Unethischen Kompass
@John: es sind keine Clowns. Uns was würde besser, wenn das Bundesgericht wegrationalisiert würde?
es hat nicht viel mit Rechtsprechung zu tun, es geht mehr darum die ganze Normenhirarchie zu schützen, anstatt wirklich recht zu sprechen halt auch mal mit negativen Implikationen für normen die dann in Frage gestellt sind oder ganz abgeschafft werden müssten. Damit veraubt es sich seiner Unparteilichkeit, es ist am Schluss lakei der Legislative und Exekutive.
Fie Clowns die wegdigitalisiert werden sollen waren aber auch nicht BGE Richter sondern die Ermessensrichter gmeient, diese Ermessenentscheide (anhängig von eigenen Moral & Wertvorstellungen) sind der Rechtsgleichheit abträglich, das kann KI besser.
@John
Vorweg: Sie würden es einfach verbieten (sobald es ihnen unbequem wird). Ganz einfach.
Das Konzept der „KI als Gerichte“ ist Gegenstand älterer Kontroversen und Diskussionen (Bereits 1999 wurde das Konzept mit B1-66ER in Matrix zur Filmunterhaltung behandelt*) , da viele bezweifeln, ob KI die Rolle des Richters effektiv ersetzen kann. Die drängende Frage lautet, ob Richter der modernen Technologie standhalten werden oder ob im Gegenteil die KI es Computern ermöglichen wird, Streitigkeiten möglicherweise mit grösserer Geschwindigkeit/Effizienz, Objektivität und Unabhängigkeit zu lösen. In Anbetracht dieser Gegebenheit sollten wir uns alle fragen, ob der menschliche Richter sich der technologischen Invasion ergeben würde und, wenn ja, ob dies wünschenswert bzw. “positiv” wäre. Ich vertrete die Auffassung, dass die Implementierung des KI-Richters in einigen Aspekten Vorteile bringen könnte, aber in anderen problematisch sein könnte. Während seine Implementierung den Prozess beschleunigen und mehr Fälle in kürzerer Zeit lösen könnte, würden KIs Mangel an sozialem Verständnis, moralischer Handlungsfähigkeit und rationaler Autonomie sie daran hindern, die grundlegende Rolle des Richters in der “social Governance” zu erfüllen. Daher könnte KI verwendet werden, um menschliche Richter zu unterstützen, anstatt sie zu ersetzen. Der Vollständigkeit halber sei angemerkt, dass viele die heutigen (sehr ausgereiften) Sprachmodelle mit einer AGI (Artificial General Intelligence) sowie einer AC (Artificial consciousness/Digital consciousness quasi Faksimile-Bewusstsein) gleichsetzen, jedoch sind Sprachmodelle in Wirklichkeit viel dümmer als die meisten denken (versimpelt ausgedrückt, können sie nur “abschreiben/umschreiben”, aber keine eigene Ideen entwickeln, sondern eher aus Wahrscheinlichkeitsgründen “halluzinieren = Bullshit schreiben”). Es gibt genügende Videos zur Erklärung diesbezüglich.
Aktuell sind die (für Endnutzer einfach-erhältlichen) Sprachmodelle mit gewöhnlichen deutschen Texten gefüttert. Amtssprache bzw. “Rechtsdeutsch” ist jedoch nicht dasselbe. Nehmen wir zum Beispiel den Begriff “Einstellung”: Im Alltagsdeutsch hat dieses Wort verschiedene Bedeutungen (Einstellung zur Politik, Werkeinstellung eines Geräts usw.).
Zudem wird die Schweizer Rechtsprechung nicht nur in Deutsch geführt, auch Französisch spielt eine gewichtige Rolle. Nicht jedes Sprachmodell kann mit verschiedenen Sprachen umgehen. Man kann französische Urteile auch nicht einfach ins Deutsche übersetzen, denn der Übersetzer müsste die Amtssprache adäquat übertragen können (also nebst Sprachmodell würde man für die Schweizer Rechtsprechung einen spezifischen “Amtssprache-Übersetzer” benötigen).
Ich habe die letzten zwei Jahre an solchen Sprachmodellen gearbeitet bzw. damit herumexperimentiert – angefangen mit GPT-2 und später auf grössere Kontextspezifikationen wie Mistral, Yi-34b und Llama gewechselt. Natürlich hätte ich gerne GPT-4 ausprobiert, jedoch ist es sehr kostspielig, der KI neue Texte beizubringen (Fine Tuning). Theoretisch könnte man die Sprachmodelle zum Übersetzen verwenden bzw. missbrauchen. Die einzige Funktion worauf sie trainiert ist, ist “dagegen zu argumentieren” sowie “welche Rechtsmittel habe ich zur Verfügung”: Sie kann weder zusammenfassen noch sonst was nützliches.
Was ich mache, ist, das Sprachmodell mit allen Bundesgesetzen, Urteilen, Basler Kommentaren (die ich selbst digitalisiert habe) und sonstiger Literatur, die ich in digitaler Form auftreiben kann, zu trainieren. Bisher waren die Ergebnisse leider sehr dürftig: Von über 20 Urteilen hat das Modell nur eines gewonnen. In letzter Zeit hat sich die Situation verbessert, da die neuen Sprachmodelle „besser verstehen“. Das Urteil, das gewonnen wurde, richtete sich gegen einen Staatsschreiber, der Autor und Herausgeber von rechtswissenschaftlichen Büchern ist (ironisch-poetischerweise wurden dem Modell auch seine Bücher trainiert), einen Doktortitel in Rechtswissenschaften besitzt und einen weiteren rechtskundigen Gegenspieler, der einen Rechtsdienst für eine Behörde leitet und selbst einmal Staatsanwalt war. Ich war sehr stolz auf diesen “Erfolg”, vor allem angesichts der Tatsache, dass ich die Hälfte der Argumentationen nicht verstehe.
Die Modelle werden kontinuierlich weiterentwickelt und verbessern sich stetig. Allerdings müsste selbst das beste Sprachmodell zuerst “rein” in Amtssprache trainiert werden. Aber wer wird diese Arbeit für die Schweizer Rechtsprechung leisten? Und wird diese Person ihr Wissen/Produkt kostengünstig weitergeben oder doch Gatekeeping betreiben?
Ich bin überzeugt, dass es heute bereits gute KI-Lösungen für die Schweizer Rechtsprechung gibt, aber diese werden ge-gatekeeped, weil jeder in dieser Branche genau weiss, dass sie von den Richtern (durch ihren Einfluss auf die Gesetzgeber) verboten werden könnten (sobald sie unbequem werden). In einem solchen Fall würde daraus Schwarzmarktsoftware werden, und damit verdient man eben nicht so gut.
* https://www.youtube.com/watch?v=wv_Y-norYPU B1-66ER deutet auf die fiktive (Verfahrens-)Geschichte eines Sklavens namens Thomas Bigger ab, welcher seine Rechte in einem Bundesstaat nicht geltend machen konnte, weil er keine Rechtspersönlichkeit besass. “Bless all forms of intelligence; Who was to say that the machine […] did not deserve a fair hearing?”.
* Wie es endete und warum wir niemals ACs (ausserhalb von Labs) einsetzen sollten: https://www.youtube.com/watch?v=i7nqpkIDFBo
* https://en.wikipedia.org/wiki/Bigger_Thomas