Freispruch und Entschädigung trotz Geständnisses

Das Obergericht des Kantons Thurgau hat einen Mann freigesprochen, der einen Koffer mit Betäubungsmitteln für seinen Schwager aufbewahren sollte. Der Koffer wurde aber erstens abgefangen und zweitens wusste der Freigesprochene nichts über den Inhalt. Das Obergericht gewährte dem Freigesprochenen weder Entschädigungen für die wirtschaftliche Einbusse und die Verteidigungskosten des erstinstanzlichen Verfahrens noch eine Genugtuung. Die Verfahrenskosten des Berufungsverfahrens wurden ihm teilweise auferlegt. Er habe damit rechnen müssen, sich in irgendeiner Form strafbar zu machen. Zudem habe er ein falsches Geständnis abgelegt und damit Kosten verursacht.

Dieser Kostenentscheid war gemäss Bundesgericht bundesrechtswidrig und muss korrigiert werden (BGer 6B_499/2014 vom 30.03.2015). Zur Frage des zivilrechtlich vorwerfbaren Verhaltens macht das Bundesgericht erwägt das Bundesgericht:

Der Beschwerdeführer wurde vom Vorwurf der qualifizierten Widerhandlung gegen das Betäubungsmittelgesetz freigesprochen. Weiterer Delikte wurde er nicht angeklagt. Indem die Vorinstanz dem Beschwerdeführer vorwirft, er habe damit rechnen müssen, sich in irgendeiner Form strafbar zu machen, macht sie ihm unerlaubterweise einen strafrechtlichen Vorwurf, ohne dass ein qualifiziert rechtswidriger und rechtsgenügend nachgewiesener Sachverhalt vorliegen würde (vgl. GRIESSER, a.a.O., N. 10 zu Art. 426 StPO; BGE 112 Ia 371 E. 2a S. 374). Gleiches gilt, soweit die Vorinstanz dem Beschwerdeführer ein in zivilrechtlicher Hinsicht relevantes Verhalten vorwirft. Der Sachverhalt ist auch diesbezüglich nicht ausreichend erstellt und die Erwägungen der Vorinstanz sind äusserst vage. Damit lässt sich die Verweigerung der Entschädigungen nicht begründen (E. 2.2).

Spannender ist das Verhalten im Strafverfahren, das immerhin ein widerrufenes Geständnis enthält:

Auch damit lässt sich die Verweigerung der Entschädigungen und der Genugtuung nicht begründen. Die beschuldigte Person trifft keine Mitwirkungspflicht und sie ist nicht zur Wahrheit verpflichtet. Sie darf die Aussage verweigern. Selbst wenn das Verfahren dadurch zweifellos erschwert wird, darf dies keine Kosten nach sich ziehen ( GRIESSER, a.a.O., N. 16 zu Art. 426 StPO mit Hinweis). An einfaches Lügen beziehungsweise Bestreiten oder eine blosse Passivität dürfen keine prozessualen Nachteile geknüpft werden ( NIKLAUS SCHMID, Handbuch des schweizerischen Strafprozessrechts, 2. Aufl. 2013, N. 160). Für eine Kostenauflage kommt allein das mutwillige, rechtsmissbräuchliche Ausüben dieser Schweige- und der Verteidigungsrechte im Allgemeinen oder das Veranlassen von weiteren unnötigen Untersuchungshandlungen in Frage. Dies ist etwa der Fall, wenn durch falsche Aussagen oder auch falsche Geständnisse aufwendige zusätzliche Abklärungen notwendig werden ( GRIESSER, a.a.O., N. 16 zu Art. 426 StPO mit Hinweisen). Die Vorinstanz wirft dem Beschwerdeführer in erster Linie vor, ein falsches Geständnis abgelegt und seine Aussagen mehrmals geändert zu haben. Welche konkreten Untersuchungshandlungen dies zur Folge hatte, führt sie nicht näher aus. Aus den Erwägungen der Vorinstanz kann nicht abgeleitet werden, dass der Beschwerdeführer die Strafverfolgungsbehörden absichtlich in die Irre führen wollte. Er änderte zwar seine Aussagen im Laufe des Verfahrens und gab mehrere Versionen zu Protokoll. Zudem legte er ein Geständnis ab, welches er später widerrief. Darin allein ist jedoch noch keine über das einfache Bestreiten der Tat hinausgehende Absicht oder gar ein hinterhältiges oder krass wahrheitswidriges Verhalten (vgl. WEHRENBERG/FRANK, in: Basler Kommentar, Schweizerische Strafprozessordnung, 2. Aufl. 2014, N. 13 zu Art. 430 StPO) erkennbar. Die Voraussetzungen des Art. 426 Abs. 2 sowie Art. 430 Abs. 1 StPO sind nicht erfüll (E. 2.2).

So weit ging das Bundesgericht m.W. noch nie. Interessant ist die Aussage, das falsche Geständnis sei kein krass wahrheitswidriges Verhalten.