Fristen im Haftanordnungsverfahren

In einem zur Publikation in der AS vorgesehen Entscheid äussert sich das Bundesgericht zur Rechtsnatur der gesetzlichen Fristen im Haftanordnungsverfahren (BGE 1B_153/2011 vom 05.05.2011).

Diese gesetzlichen Fristen sollen offensichtlich die oben in E. 3.1 dargestellten verfassungs- und konventionsrechtlichen Vorgaben konkretisieren. Bereits daraus ergibt sich ohne Weiteres, dass es sich dabei nicht um reine Ordnungsfristen handelt, aus deren Überschreitung der Betroffene in der Regel nichts zu seinen Gunsten ableiten kann. Für den Festgenommenen entscheidend ist allerdings nur die Zeitspanne zwischen Festnahme und Haftentscheid. Von untergeordneter Bedeutung ist für ihn hingegen, wie sich die einzelnen Verfahrensschritte vor dem Haftentscheid zeitlich verteilen. Insofern richtet sich die Frist von Art. 224 Abs. 2 StPO in erster Linie an die Staatsanwaltschaft, die durch deren Einhaltung gezwungen werden soll, dem Haftrichter ausreichend Zeit für die Prüfung des Haftantrags einzuräumen. Es handelt sich damit um eine vor allem die inneren Abläufe der Strafverfolgungsbehörden betreffende Frist, deren Einhaltung grundsätzlich auch im Interesse der festgenommenen Person liegt. Daraus ergibt sich, dass die Aufrechterhaltung der Haft nicht schon dann gesetzwidrig wird, wenn die Staatsanwaltschaft den Haftantrag nicht innert 48 Stunden nach der Festnahme dem Haftrichter einreicht, sondern erst, wenn der Haftrichter den Haftentscheid dem Festgenommenen nicht innert 96 Stunden nach der Festnahme eröffnet hat (E. 3.2.1).

Das Bundesgericht weist mit Nachdruck darauf hin,

dass das verfassungs- und konventionsrechtliche ebenso wie das strafprozessuale Beschleunigungsgebot eine besonders beförderliche Behandlung des Haftverfahrens verlangen, was bedeutet, dass diese gesetzlichen Maximalfristen im Normalfall weit unterschritten werden müssen und höchstens in begründeten Einzelfällen ausgeschöpft werden dürfen (E. 3.2.1).

Im vorliegenden Fall waren die gesetzlichen Garantien gerade noch eingehalten worden:

Eine zusammenfassende Würdigung der Verfahrensführung in zeitlicher Hinsicht ergibt somit, dass zwar der Staatsanwaltschaft vorzuwerfen ist, dass sie den Antrag auf Haftanordnung dem Zwangsmassnahmengericht nicht am Abend des 3., sondern erst am frühen Morgen des 4. März 2011 zustellte und damit die Frist von Art. 224 Abs. 2 StPO verletzte. Die richterliche Eröffnung der Untersuchungshaft erfolgte indessen 86 Stunden nach der Festnahme und damit innerhalb der gesetzlichen Maximalfrist von 96 Stunden. Das ist insbesondere mit Blick auf die Schwierigkeiten des Verfahrens – Zuführung des Beschwerdeführers aus einem anderen Kanton und Notwendigkeit, eine Dolmetscherin für eine in der Schweiz wenig gängige Sprache aufzubieten – gerade noch akzeptabel. Die Rüge, der Beschwerdeführer hätte wegen Verletzung des Beschleunigungsgebots umgehend auf freien Fuss gesetzt werden müssen, ist unbegründet. Das Obergericht hat zudem der Verletzung der Frist von Art. 224 Abs. 2 StPO durch die Staatsanwaltschaft bereits Rechnung getragen, indem es die Verletzung des Beschleunigungsgebots feststellte und entgegen dem Ausgang des Beschwerdeverfahrens die gesamten Gerichtskosten auf die Staatskasse nahm, obwohl es die Beschwerde nur teilweise guthiess und damit der Beschwerdeführer an sich einen Teil der Verfahrenskosten hätte übernehmen müssen.

Im Ergebnis muss wohl gelten, dass die Haftfristen mit Ausnahme der Frist von 96 Stunden von der Festnahme bis zur Eröffnung des Haftentscheids halt doch nur Ordnungsfristen sind. Keine reinen Ordnungsfristen, aber eben doch Ordnungsfristen. Ordnungsfristen sui generis vielleicht. Oder unechte Ordnungsfristen.