Fristenkontrolle als elementare anwaltliche Berufspflicht

Das Obergericht des Kantons Zürich ist auf ein (verspätetes) Wiederherstellungsbegehren bezüglich einer versäumten Rechtsmittelfrist nicht eingetreten. Der Grund für die verpassten Fristen lag in einer Belastungssituation des Rechtsvertreters. Das Bundesgericht weist die dagegen gerichtete Beschwerde ab und setzt sich eingehend mit den anwaltlichen Berufspflichten im Zusammenhang mit der Fristenkontrolle auseinander (BGer 6B_389/2011 vom 10.10.2011). Danach gehört es auch zu den Berufspflichten, auch versäumte Fristen festzustellen:

Die Frist für die Beanstandungen begann mit der Zustellung des begründeten Entscheids am 7. Dezember 2010 zu laufen (…). Im damaligen Zeitpunkt war der Vater des Rechtsvertreters noch nicht hospitalisiert. Es bestand gemäss Arztzeugnis keine Belastungssituation (…). Somit musste der Rechtsvertreter die Frist korrekt in seinem internen System vermerken. Dazu war er gestützt auf Art. 12 lit. a des Bundesgesetzes vom 23. Juni 2000 über die Freizügigkeit der Anwältinnen und Anwälte (…) verpflichtet, wonach Rechtsanwälte ihre Tätigkeit sorgfältig und gewissenhaft auszuüben haben. Selbst wenn sich der Rechtsvertreter der Beschwerdeführerin wegen der Belastungssituation nachträglich nicht mehr aller Fristen bewusst war, hatte er sich so einzurichten, dass er jederzeit, z.B. mittels eines elektronischen Systemes, zu erledigende Aufgaben erkannte. Nicht entlasten kann er sich mit dem Argument, er habe keine rückwirkende Fristenkontrolle durchführen müssen. Selbstredend gehört es zur pflichtgemässen Berufsausübung, nicht bloss laufende, sondern auch versäumte Fristen festzustellen. Im Übrigen ist die zeitliche Planung ein grundlegendes Arbeitsinstrument, da die Dringlichkeit eines Geschäftes den Tagesablauf in der Advokatur bestimmt. Ohne eine regelmässige Fristenkontrolle ist ein Rechtsanwalt ausserstande, seine Tätigkeit ordnungsgemäss zu verrichten. Die Auffassung der Vorinstanz, der Rechtsvertreter der Beschwerdeführerin hätte spätestens vor Ferienantritt am 12. Februar 2011 die anstehenden Aufgaben und Fristen überprüfen oder dies an einen Vertreter delegieren müssen, ist nicht zu beanstanden, weil er gemäss Arztzeugnis nicht vollkommen arbeitsunfähig war. In diesem Zeitpunkt wäre es ihm bei geeigneter Organisation zuzumuten gewesen, die verpasste Frist unabhängig von seiner Belastungssituation wahrzunehmen. Die vorinstanzliche Würdigung des Arztzeugnisses ist nicht schlechterdings unhaltbar. Dass die Vorinstanz das Wiederherstellungsgesuch vom 18. März 2011 als verspätet erachtet und die Wiederherstellung der Frist für die Beanstandungen gestützt auf § 199 Abs. 1 aGVG/ZH verweigert, verletzt die von der Beschwerdeführerin angerufenen Rechte nicht. Da der genaue Zeitpunkt des Wegfalls der akuten Belastungsreaktion für den Ausgang des Verfahrens nicht von Bedeutung ist, kann offenbleiben, ob die vorinstanzliche Sachverhaltsfeststellung in diesem Zusammenhang willkürlich ist (Art. 97 Abs. 1 BGG; vgl. BGE 136 III 552 E. 4.2 S. 560 mit Hinweisen) (E. 1.8, Hervorhebungen durch mich).