Fünf Jahre Gefängnis ohne Anhörung?
Der Kanton Bern hat sich bereit erklärt, ein österreichisches Strafurteil (Freiheitsstrafe von total fünf Jahren) stellvertretend zu vollstrecken. Dabei hat er alles falsch gemacht, was man nur falsch machen kann. Man hätte eigentlich erwarten können, dass ein kantonales Obergericht zumindest auf die Idee kommt, dass der Verurteilte noch anzuhören sein müsste. Aber in Bern geht man offenbar immer noch davon aus, dass die Generalstaatsanwaltschaft unfehlbar ist und ihre Anträge ohne Anhörung der Betroffenen abzunicken sind.
Das Bundesgericht kassiert den Entscheid des Obergerichts in einem zur Publikation vorgesehen Urteil (BGE 6B_346/2015 vom 01.03.2016). Es erinnert daran , dass ein kantonaler Instanzenzug zwingend ist:
Vorliegend hat die Vorinstanz in erster und einziger Instanz über das Exequaturbegehren entschieden. Dies widerspricht Art. 106 Abs. 3 Satz 2 IRSG und Art. 80 Abs. 2 BGG, welche einen zweistufigen kantonalen Instanzenzug verlangen (E. 1.3.2).
Dies bedurfte allerdings der Klärung des Verhältnisses zu Art. 55 Abs. 4 StPO:
Die Strafrechtliche Abteilung des Bundesgerichts sprach sich gestützt darauf wiederholt für eine Zuständigkeit der Beschwerdeinstanz aus, allerdings ohne sich zum Spannungsverhältnis zwischen Art. 55 Abs. 4 StPO und Art. 106 Abs. 3 Satz 2 IRSG zu äussern (…). Art. 55 Abs. 4 StPO gilt jedoch nicht absolut. Denn die Gewährung der internationalen Rechtshilfe und das Rechtsmittelverfahren richten sich gemäss Art. 54 StPO nur so weit nach der StPO, als andere Gesetze des Bundes und völkerrechtliche Verträge dafür keine Bestimmungen enthalten. Die Bestimmungen des IRSG gehen der Regelung von Art. 55 Abs. 4 StPO demnach vor (…). Weder der StPO noch der Botschaft lässt sich entnehmen, dass der Gesetzgeber vom zweistufigen kantonalen Instanzenzug im Exequaturverfahren nach Art. 105 f. IRSG hätte abweichen wollen (…) [1.3.2].
Dann aber eben noch der schwer verständliche Lapsus:
Der Entscheid über das Exequaturbegehren hätte sodann gemäss Art. 106 Abs. 3 Satz 1 IRSG nicht in Form eines Beschlusses, sondern in Form eines begründeten Urteils erfolgen müssen. Damit ist zugleich klar, dass als Rechtsmittel gegen den erstinstanzlichen Exequaturentscheid nur die Berufung in Frage kommt (…).Indem es die Vorinstanz unterliess, den Beschwerdeführer und seinen Rechtsbeistand vor dem Entscheid anzuhören, verstiess sie zudem gegen Art. 105 IRSG und verletzte dessen Anspruch auf rechtliches Gehör (E. 1.3.2).