Gebotene Verteidigung auch im Übertretungsstrafverfahren

Im Kanton Zürich wehrte sich eine Automobilistin erfolgreich gegen eine Verkehrsbusse von CHF 400.00. Nach Einsprache gegen den Strafbefehl und einigen Einvernahmen in Anwesenheit des Vertreidigers wurde das Verfahren eingestellt. Die Kosten des Verteidigers wurden der Betroffenen aber nicht ersetzt, nach Bundesgericht zu Unrecht (BGer 1B_536/2012 vom 09.01.2012):

Wird die beschuldigte Person ganz oder teilweise freigesprochen oder wird das Verfahren gegen sie eingestellt, so hat sie nach Art. 429 Abs. 1 lit. a StPO Anspruch auf Entschädigung ihrer Aufwendungen für die angemessene Ausübung ihrer Verfahrensrechte. Der Staat übernimmt die entsprechenden Kosten nur, wenn der Beistand angesichts der tatsächlichen oder der rechtlichen Komplexität notwendig war und der Arbeitsaufwand und somit das Honorar des Anwalts gerechtfertigt waren (vgl. Botschaft vom 21. Dezember 2005 zur Vereinheitlichung des Strafprozessrechts, BBl 2006 1329 Ziff. 2.10.3.1). Ein Anspruch auf Entschädigung für Verteidigungskosten im Falle einer Verfahrenseinstellung oder eines Freispruchs gestützt auf Art. 429 Abs. 1 lit. a StPO besteht nicht nur in den Fällen der notwendigen Verteidigung im Sinne von Art. 130 StPO. Weiter besteht ein Anspruch gestützt auf Art. 429 Abs. 1 lit. a StPO nicht nur in den Fällen, in denen bei Mittellosigkeit der beschuldigten Person gemäss Art. 132 Abs. 1 lit. b StPO eine amtliche Verteidigung hätte angeordnet werden müssen, weil dies zur Wahrung der Interessen der beschuldigten Person geboten gewesen wäre. Der Beizug eines Wahlverteidigers kann sich als angemessene Ausübung der Verfahrensrechte erweisen, auch wenn er nicht als geradezu geboten erscheint (BGE 138 IV 197 E. 2.3.3 S. 202 f.) [E. 2.1].

Nicht verfangen hat insbesondere das Argument der Vorinstanz, dass es ja bloss um eine Übertretung ging:

Der Umstand allein, dass die Beschwerdeführerin lediglich einer Übertretung beschuldigt wurde, kann wie erwähnt nicht zur Bejahung einer unangemessenen Ausübung von Verfahrensrechten führen. Für die Beschwerdeführerin war nicht absehbar, dass das Statthalteramt das Verfahren einstellen würde, nachdem es ihre Strafbarkeit im Strafbefehl bereits bejaht hatte. Aufgrund von Art. 355 Abs. 3 und Art. 356 StPO musste sie damit rechnen, dass am Strafbefehl festgehalten und das Hauptverfahren beim erstinstanzlichen Gericht durchgeführt wird. Zudem war für sie nicht leicht erkennbar, inwiefern die Rückenverletzung des mitbeteiligten Fahrzeuglenkers Y. das weitere Verfahren beeinflusst. Die Beschwerdeführerin weist ausserdem zutreffend darauf hin, dass der Ausgang des Strafverfahrens Folgen insbesondere haftpflichtrechtlicher und versicherungsrechtlicher Natur haben kann und auch bei allfälligen Administrativmassnahmen berücksichtigt wird. Der Beizug eines Rechtsvertreters erscheint somit unter den gegebenen Umständen als angemessene Ausübung der Verfahrensrechte (E. 2.3).