Gehörsanspruch bei forensisch-psychiatrischen Gutachten
Während eine Abteilung des Bundesgerichts einfach darauf vertrauen will, dass Gutachter sich an die Regeln halten (s. meinen früheren Beitrag), stellt die andere in einem konkreten Fall fest, dass sie es eben gerade nicht getan haben (BGE 6B_56/2018 vom 02.08.2018, Publikation in der AS vorgesehen). In diesem Fall, in dem um Verwahrung oder stationäre Massnahme gestritten wird, hat das Bundesgericht eine Gehörsverletzung erkannt.
Dem Gutachten lagen Akten zugrunde, welche der Gutachter selbständig angefordert hatte. Am Schluss war nicht klar, ob die Beteiligten überhaupt Einsicht in alle Unterlagen hatten, auf die sich das Gutachten stützte.
Zusammenfassend ist festzuhalten, dass der Sachverständige Art. 185 Abs. 3 StPO verletzte, indem er die Verlaufsdokumentation – im Gegensatz zu den Akten des JUV – selbstständig beim PPD anforderte (E. 3.5).
So ganz nebenbei sagt das Bundesgericht, Die Verwahrung könne auch dann angeordnet werden, wenn vorher gar nicht versucht wurde, ob der Täter behandelbar sei:
Gestützt hierauf erwägt die Vorinstanz lediglich, es habe eine Behandlung der Impulsivität beziehungsweise der Gewaltproblematik stattgefunden, wenn auch nicht in relevantem oder substantiellem Umfang (…); dass die Behandlung adäquat, relevant oder substantiell war, nimmt die Vorinstanz nicht an. Ein vorausgegangener adäquater Behandlungsversuch ist denn auch in rechtlicher Hinsicht für die Anordnung einer Verwahrung nicht vorausgesetzt (vgl. jedoch Urteile 6B_218/2016 vom 23. September 2016 E. 3.3.1 und 6B_487/2011 vom 30. Januar 2012 E. 3.7.5 mit Hinweisen, wonach unter Umständen über die Behandelbarkeit erst zuverlässig entschieden werden kann, wenn ein entsprechender Versuch mit adäquaten Mitteln unternommen wurde und gescheitert ist). Insofern geht die Rüge des Beschwerdeführers, die Vorinstanz gehe gestützt auf das Gutachten fälschlicherweise davon aus, dass die ambulante Therapie bei Dr. E. eine adäquate Behandlung seiner Impulsivität und Gewaltproblematik darstellte, an der Sache vorbei (E. 4.2.2, Hervorhebungen durch mich).
Das Wort “Praxisänderung” finde ich im Entscheid nicht. Und das Ergebnis steht nun wohl auch schon fest, trotz (neuerlicher) Rückweisung an die Vorinstanz.