Geldwäscherei, begangen durch Verstecken von Notizzetteln und den Versuch, eine SIM-Karte zu zerstören
Einem neuen Bundesgerichtsentscheid (BGer 6B_45/2021 vom 27.4.2022, Fünferbesetzung) ist ein bemerkenswerter Sachverhalt zu entnehmen, bei dem es um die strafrechtliche Beurteilung eines “Diebes” von Bankkundendaten geht, die er an die deutschen Steuerbehörden verkauft hat. Angefochten war die in Abwesenheit erfolgte Verurteilung wegen qualifizierten wirtschaftlichen Nachrichtendienstes und Geldwäscherei. Hier der Sachverhalt aus dem Entscheid des Bundesgerichts:
A. [wird] vorgeworfen, von Dezember 2005 bis Herbst 2012 bzw. zwischen dem 1. August 2010 und November 2012 als Angestellter der Bank C. AG Kundendaten aus bankinternen Datensystemen gesammelt, in seinen Privatbereich verbracht und im Sommer 2012 gegen Entgelt deutschen Steuerbehörden ausgehändigt zu haben (wirtschaftlicher Nachrichtendienst). Anschliessend soll er am 28. August 2012 bei der Bank D. in Spanien und zu einem unbestimmten Zeitpunkt bei der Bank E. eG in Deutschland je ein Konto eröffnet haben. Mit dem sich auf dem Konto in Deutschland befindlichen Deliktserlös von mindestens EUR 1’147’000.– habe er gemäss Anklage am 15. Oktober 2012 für EUR 1 Mio. eine Liegenschaft in Spanien gekauft, diese am 14. Oktober 2013 wieder verkauft und den Nettoverkaufserlös auf sein Bankkonto in Deutschland zurücktransferieren lassen. Er habe alles unternommen, um keine Spuren zu seinen Konten in Deutschland und Spanien sowie zur Liegenschaft in Spanien zu hinterlassen. Seine schweizerischen Bankkonten würden keine Transaktionen zu diesen Geschäften aufweisen. A. habe im Kofferraum des von ihm benutzten Autos seiner Mutter Notizzettel mit Hinweisen auf einen für den Immobilienkauf zuständigen Rechtsanwalt in Spanien und das spanische Bankkonto versteckt. Zudem habe er die SIM-Karte seines Mobiltelefons, die Dateien in diesem Zusammenhang enthalten habe, zu zerstören versucht (Geldwäscherei).
Zuerst waren Fragen um die Zulässigkeit des angeblich unzulässigen Abwesenheitsverfahrens zu prüfen. Gemäss Bundesgericht kann man aber auf ein kontradiktorisches Gerichtsverfahren konkludent verzichten, zumal der amtliche Verteidiger ja anwesend war:
Von der Vorinstanz, die seine Anwesenheit als notwendig erachtete (Art. 406 Abs. 2 lit. a StPO e contrario), wurde der Beschwerdeführer – was unbestritten geblieben ist – zweimal rechtzeitig und ordentlich vorgeladen (vgl. Art. 201 und 202 StPO; angefochtenes Urteil S. 11). Er hätte somit ohne Weiteres die Möglichkeit gehabt, seinen Fall in Anwesenheit verhandeln zu lassen. Auch an den beiden von der Vorinstanz angesetzten Terminen erschien er jedoch unentschuldigt nicht. Sein gesamtes Verhalten lässt unzweideutig auf einen konkludenten Verzicht auf ein kontradiktorisches Verfahren und eine Beurteilung in Anwesenheit schliessen. Dies gilt umso mehr, als der Beschwerdeführer selbst vor Bundesgericht nicht behauptet, dass er im Falle einer Rückweisung durch die Vorinstanz nach Art. 409 Abs. 1 StPO an der neuen Hauptverhandlung vor der ersten Instanz teilgenommen hätte. Die Folgen des dargestellten Verzichts waren für den anwaltlich vertretenen Beschwerdeführer voraussehbar. Letztlich hat er es somit selbst zu verantworten, dass keine Verhandlung in seiner Anwesenheit stattgefunden hat. Ausserdem war sein Verteidiger bei sämtlichen Verhandlungsterminen anwesend und konnte seine Rechte wahren. Somit ist das Verfahren insgesamt als fair anzusehen (siehe zum Ganzen Urteile des EGMR Chong Coronado gegen Andorra vom 23. Juli 2020, Nr. 37368/15, § 42 f.; Medenica gegen die Schweiz vom 14. Juni 2001, Nr. 20491/92, § 55 ff.). Die von der Vorinstanz vorgenommene Heilung der durch die “Doppelvorladung” der ersten Instanz entstandenen Verletzung von Art. 366 Abs. 1 und 2 StPO steht im Einklang mit Art. 6 Ziff. 1 EMRK (E. 1.6).
Der Rest der Begründung des Bundesgerichts, insbesondere der Aufbau ist nur schwer fassbar, weil alles ineinander zu fliessen scheint (Strafhoheit der Schweiz, Tathandlung der Geldwäscherei, Einziehbarkeit). Hier aber noch die Erwägungen des Bundesgerichts zum Umstand, dass der Deliktserlös gar nie in der Schweiz war, womit nach Auffassung des Beschwerdeführers das normative Tatbestandselement der Einziehbarkeit nicht erfüllt sei:
Wie dem angefochtenen Urteil entnommen werden kann, befand sich der Deliktserlös nie in der Schweiz, sondern wurde von Anfang an auf ein auf den Beschwerdeführer lautendes Konto in Deutschland überwiesen und von dort weitertransferiert resp. -investiert (angefochtenes Urteil S. 50). Demnach wäre eine Einziehung von Beginn weg nur über den Weg der internationalen Rechtshilfe möglich gewesen. Gemäss den tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz zeigte sich Deutschland jedoch nicht bereit, in der vorliegenden Angelegenheit Rechtshilfe zu leisten (angefochtenes Urteil S. 16 und 36). Dem Beschwerdeführer ist daher insoweit beizupflichten, als eine konkrete Einziehung in Deutschland ausgeschlossen war. Nach dem Grundsatz der abstrakten Einziehbarkeit ist allerdings allein entscheidend, ob ein staatlicher Einziehungsanspruch und damit ein hypothetisches Einziehungsobjekt besteht. Es muss kein Einziehungsverfahren in die Wege geleitet und folglich auch nicht geprüft werden, ob ein ausländischer Staat im konkreten Fall Rechtshilfe leistet resp. leisten würde. Es reicht aus, wenn der Rechtshilfeweg zur Durchsetzung des Einziehungsanspruchs theoretisch offensteht. Das Wissen, dass Deutschland im konkreten Fall keine Rechtshilfe leistet, schadet im Hinblick auf die Strafbarkeit nach Art. 305bis StGB folglich nicht. Fest steht, dass vorliegend aufgrund der gegen den Staat resp. die schweizerische Gebietshoheit gerichteten Vortat des qualifizierten wirtschaftlichen Nachrichtendienstes (zum geschützten Rechtsgut siehe BGE 141 IV 155 E. 4.2.1 mit Hinweis) ein schweizerischer Einziehungsanspruch gegeben ist. Zu dessen Durchsetzung hätte die Schweiz grundsätzlich in Deutschland und auch in Spanien ein Rechtshilfeersuchen stellen können (siehe insbesondere Übereinkommen vom 8. November 1990 über Geldwäscherei sowie Ermittlung, Beschlagnahme und Einziehung von Erträgen aus Straftaten [GwUe; SR 0.311.53]). Eine darüber hinausgehende konkrete Bereitschaft eines ausländischen Staats zur Leistung von Rechtshilfe ist für die Strafbarkeit wegen Geldwäscherei nicht erforderlich. Mit seiner gegenläufigen Argumentation dringt der Beschwerdeführer nicht durch (E. 4.3.3).
Rein rechtlich ist an der Herleitung der Einziehbarkeit doch überhaupt nichts auszusetzen.
@pk: Da bin ich nicht so sicher, aber vermutlich haben Sie schon Recht. Es zeigt aber, dass das Konzept hinter dem GW-Tatbestand fragwürdig ist.