Zum räumlichen Geltungsbereich des StGB und anderen Grundsätzen

Das Bundesgericht kassiert ein Urteil des Obergerichts des Kantons Bern in einem umfangreichen Wirtschaftsstrafprozess. Es wirft der Vorinstanz im Ergebnis vor, elementare Grundsätze verletzt zu haben (BGer 6B_102/2011 vom 14.02.2012).

Der Sachverhalt war in drei Anklagekomplexe gegliedert. Beim ersten Anklagekomplex mit Tatort London hat das Obergericht die Frage nach dem räumlichen Geltungsbereich des StGB (Art. 7 StGB) offenbar gar nicht geprüft:

Die Vorinstanz hat sich mit der Frage des räumlichen Geltungsbereichs des schweizerischen Strafrechts in Bezug auf den Anklagekomplex „A. -Geschäfte“ nicht befasst und daher auch nicht geprüft, ob die dem Beschwerdeführer in diesem Komplex zur Last gelegten Handlungen, die sie abweichend von der ersten Instanz nicht lediglich als Veruntreuung (Art. 138 Ziff. 1 StGB) in zwei Fällen, sondern als gewerbsmässigen Betrug (Art. 146 Abs. 2 StGB) in allen fünf eingeklagten Fällen qualifiziert, im Sinne von Art. 6 Ziff. 1 aStGB respektive Art. 7 Abs. 1 lit. a StGB auch am Begehungsort, also in England, strafbar und trotz der inzwischen verstrichenen Zeit verfolgbar sind (E: 1.5).

Zudem hat die Vorinstanz das Tatbestandselement der Arglist (Art. 146 StGB) zu Unrecht bejaht:

Die Vorinstanz begründet denn auch die Arglist letztlich im Wesentlichen mit dem Argument, dass „insbesondere“ auch die Zusicherung des Beschwerdeführers, das Geld der Anleger werde auf seinem Konto bleiben, „mit noch so grosser Vorsicht nicht überprüft werden“ konnte (Urteil S. 170). Inwiefern die Zusicherung der Blockierung der Anlagen auf dem Konto des Beschwerdeführers ein Lügengebäude sei, ist nicht ersichtlich. Richtig ist jedoch, dass die genannte Zusicherung des Beschwerdeführers eine innere Tatsache betrifft, die nicht direkt überprüft werden kann. Dies vermag indessen nicht bereits Arglist zu begründen. Den Geschädigten als erfahrenen Geschäftsleuten wäre es möglich und zumutbar gewesen, durch Rückfragen in Erfahrung zu bringen, wie denn einerseits die versprochenen hohen Renditen erzielt werden könnten, wenn andererseits ihre Anlagen ständig auf dem Konto des Beschwerdeführers blockiert blieben. Solche Rückfragen hätten höchstwahrscheinlich entweder ergeben, dass die Gelder der Anleger entgegen der vertraglichen Zusicherung nicht die ganze Zeit auf dem Konto des Beschwerdeführers blockiert bleiben würden, oder sie hätten zu Antworten geführt, die ihrerseits Anlass zu weiteren Fragen gegeben hätten. Indem die Geschädigten Rückfragen betreffend die zugesicherte Blockierung der Gelder auf dem Konto des Beschwerdeführers unterliessen, verhielten sie sich grob leichtsinnig, was Arglist ausschliesst. Dass einzelne Geschädigte bereits früher Geschäfte mit dem Beschwerdeführer abgeschlossen hatten und andere Geschädigte durch Bekannte mit dem Beschwerdeführer in Kontakt kamen, begründet entgegen den Andeutungen der Vorinstanz nicht ein besonderes Vertrauensverhältnis, aufgrund dessen der Beschwerdeführer die begründete Erwartung haben konnte, dass die Geschädigten jegliche Überprüfung unterlassen würden. Das Tatbestandsmerkmal der Arglist ist nicht erfüllt (E. 3.4.2).

Beim zweiten Anklagekomplex war gemäss Bundesgericht nicht einmal klar, was dem Beschwerdeführer überhaupt vorgeworfen wurde (Verletzung des Anklageprinzips).

Aus dem Überweisungsbeschluss geht somit nicht hinreichend klar hervor, welchen Sachverhalt die Anklagebehörde dem Beschwerdeführer im Anklagekomplex „B.-Bank“ als Veruntreuung zur Last legt. Der Überweisungsbeschluss genügt den Anforderungen an eine Anklageschrift nicht. Der Schuldspruch wegen Veruntreuung im Anklagekomplex „B.-Bank“ verstösst gegen das Anklageprinzip und ist aus diesem Grunde in Gutheissung der Beschwerde aufzuheben (E. 5.7).

Nur gerade im dritten Anklagepunkt dringt die Beschwerde nicht durch.