Gerötete Augen: Kostenpflicht trotz Einstellung des Verfahrens
Im Kanton Zürich wurde ein Automobilist wegen “geröteter Augen” und “verlangsamten Verhaltens” einem Drogenschnelltest unterzogen, der positiv ausfiel. Tatsächlich hatte er am Vorabend eine Linie Kokain konsumiert. Das nachfolgende chemisch-toxikologische Gutachten ergab, dass er zwar Kokain konsumiert hatte, seine Fahrfähigkeit dadurch aber nicht vermindert war, da unter Berücksichtigung der vom ASTRA festgelegten Nachweisgrenze und nach Abzug der Messunsicherheit keine Stoffe gemäss Art. 2 Abs. 2 VRV in seinem Blut nachgewiesen werden konnten. Dementsprechend wurde das Strafverfahren eingestellt, dem Automobilisten aber die Verfahrenskosten auferlegt. Dies war nach einem neuen Urteil des Bundesgerichts rechtens (BGer 1B_180/2012 vom 24.05.2012).
Der Automobilist machte geltend, die Anordnung des Drogentests sei nicht zulässig gewesen. Das Bundesgericht lässt dies nicht gelten:
Der Einwand ist insoweit begründet, als Drogentests im Gegensatz zu Alkoholproben nicht voraussetzungslos angeordnet werden dürfen, sondern nur, wenn Anzeichen von Fahrunfähigkeit erkennbar sind (Art. 55 Abs. 1 und 2 SVG, Art. 10 Abs. 1 und 2 SKV). Es trifft weiter zu, dass die Staatsanwaltschaft in der Einstellungsverfügung ausführt, solche Anzeichen seien von der Polizei nicht bemerkt worden (Ziff. 4 b S. 1). Diese Feststellung ist indessen klarerweise aktenwidrig. Im “Polizeiprotokoll bei Verdacht auf Fahrunfähigkeit” wird unter der Rubrik “Beobachtungen bei der Person” festgehalten, dass beim Beschwerdeführer gerötete Augen sowie ein verlangsamtes Verhalten festgestellt wurden. Diese Symptome können durchaus auf einen vorgängigen Konsum von Drogen hindeuten und damit auf das Vorliegen einer Fahrunfähigkeit, da in Bezug auf die in Art. 2 Abs. 2 der Verkehrsregelnverordnung (VRV; SR 741.11) aufgeführten Substanzen – darunter Kokain – für das Führen von Fahrzeugen Nulltoleranz gilt. Die beiden Polizeibeamten haben die Symptome überdies richtig eingeschätzt, der Beschwerdeführer hatte am Vortag unbestrittenermassen Kokain konsumiert. Es kann daher keine Rede davon sein, sie hätten beim Beschwerdeführer in unzulässiger Weise, d.h. ohne dass entsprechende Verdachtsmomente vorgelegen hätten, einen Drogenschnelltest angeordnet. Die Rüge ist offensichtlich unbegründet (E. 3.2).
Das Lenken eines Fahrzeugs mit einem Blutalkoholgehalt unter 0,5 Gewichtspromillen stellt nach der Rechtsprechung des Bundesgericht kein rechtswidriges und schuldhaftes Verhalten im Sinn von Art. 426 Abs. 2 StPO dar, das eine Kostenauflage rechtfertigen könnte. Diese Rechtsprechung lässt sich gemäss Bundesgericht nicht auf Drogen übertragen, denn:
Einmal ist bereits der Konsum von Kokain strafbar (Art. 2 lit. a i.V.m. Art. 19a Ziff. 1 BetmG). Zum Zweiten ist das Führen eines Motorfahrzeugs unter dem Einfluss von Kokain unabhängig von der konsumierten Menge in jedem Fall verboten (Art. 2 Abs. 2 lit. c VRV). Daran ändert nichts, dass das ASTRA in Art. 34 lit. c seiner Verordnung zur Strassenverkehrskontrollverordnung (VSKV-ASTRA, SR 741.013.1) einen Grenzwert für den Nachweis von Kokain im Blut festgelegt hat, ab welchem eine Messresultat als positiv gilt. Dies trägt nur den Messungenauigkeiten Rechnung und verhindert, dass ein länger zurückliegender, für die aktuelle Fahrfähigkeit irrelevanter Rauschgiftkonsum zu einem positiven Resultat führt. Das bedeutet, dass der Beschwerdeführer, der mit Kokain-Spuren im Blut ein Auto lenkte und dabei Symptome aufwies, die ihn für die Polizisten als möglichen Rauschgiftkonsumenten erscheinen liessen, das gegen ihn eingeleitete Strafverfahren rechtswidrig und schuldhaft verursacht hat. Das Obergericht hat somit weder Art. 426 Abs. 2 StPO noch die verfassungs- und menschenrechtliche Unschuldsvermutung verletzt, indem es die umstrittene Kostenauflage schützte (E. 4.2, Hervorhebungen durch mich).
Ist das wirklich schlüssig? Der Beschwerdeführer galt doch gemäss VSKV-ASTRA als fahrfähig, hat also entgegen dem ursprünglichen Vorhalt gerade nicht gegen das Strassenverkehrsrecht verstossen.
Liebe Polizisten: Im Polizeirapport immer gerötete Augen behaupten, damit der Betroffene dann wenigstens die Kosten übernehmen muss.
Liebe Automobilisten: Sofort wenn möglich durch einen Arzt widerlegen, dass die Augen gerötet sind.
Für mich als Halb-Laien (habe mich schon recht gut in Strafrecht eingearbetiet) ist das hier stossend:
1. Grundsätzlich sollte es keine Kostenauflage ohne Verurteilung geben. Ausnahmen könnte bei vorsätzlichen (!) Verursachen eines Strafverfahrens sein.
2. Falls es eine Kostenauflage gibt, sollte ein öffentliches Verfahren dazu statt finden, also die Rekurse nicht rein schriftlich abgehandelt werden.
Frage an die Juristen aus der Praxis:
Meiner Erfahrung nach werden bei rein schriftlichen Verfahren (zB Verwaltungsgericht Zürich, Sozialversicherungsgericht, oder Rekurse gg Kostenauflagen) mehr Sachen verdreht, bzw Sachen im Urteil wahrheits- und aktenwidrig dargestellt, als in mündlichen Verfahren, wo komischerweise die RIchter viel vernünftiger Entscheiden.
Kann es sein, dass bei “mühsamen” oder den RIchtern nicht genehmen Verfahren in rein schriftlichen Verfahren mehr Fehlurteile produziert werden?
Das kann schon sein, könnte ich aber nicht bestätigen. In mündlichen Verfahren ist eher gewährleistet, dass sich die Richter mit der Sache auseinandersetzen. In schriftlichen Verfahren besteht die “Gefahr”, dass die Gerichtsschreiber entscheiden, was ab und an ja nicht nur schlecht ist.