Gesamtstrafe bei Widerruf?

in einem zur BGE-Publikation vorgesehenen Entscheid (BGer 6B_538/2007 vom 02.06.2008) klärt das Bundesgericht eine umstrittene Frage zu Art. 46 Abs. 1 StGB (Nichtbewährung / Widerruf). Die Bestimmung lautet wie folgt:

Begeht der Verurteilte während der Probezeit ein Verbrechen oder Vergehen und ist deshalb zu erwarten, dass er weitere Straftaten verüben wird, so widerruft das Gericht die bedingte Strafe oder den bedingten Teil der Strafe. Es kann die Art der widerrufenen Strafe ändern, um mit der neuen Strafe in sinngemässer Anwendung von Artikel 49 eine Gesamtstrafe zu bilden. […, Hervorhebungen durch mich].

Das Bundesgericht stösst sich an der Möglichkeit, Art. 49 StGB (Konkurrenz, Asperationsprinzip) sinngemäss anzuwenden, was zu sachfremden Ergebnisse führe:

Soweit Art. 46 Abs. 1 Satz 2 in Verbindung mit Art. 49 StGB zum Ausdruck bringen sollte, dass der Richter für die Gegenstand der früheren Verurteilung bildenden Straftaten einerseits und die während der Probezeit begangenen neuen Straftaten andererseits eine Gesamtstrafe nach dem Asperationsprinzip bilden kann, wie wenn er alle Straftaten gleichzeitig zu beurteilen hätte, erscheint dies als wenig sachgerecht. Der Fall, dass ein Täter nach einer rechtskräftigen Verurteilung zu einer bedingten Freiheitsstrafe während der Probezeit weitere Delikte verübt, unterscheidet sich wesentlich vom Fall eines Täters, der sämtliche Taten begangen hatte, bevor er wegen dieser Taten (siehe Art. 49 Abs. 1 StGB) beziehungsweise zumindest wegen eines Teils dieser Taten (vgl. Art. 49 Abs. 2 StGB betreffend die retrospektive Konkurrenz) verurteilt worden ist. Eine Gleichstellung dieser Fälle bei der Strafzumessung erscheint als sachfremd, weil damit der straferhöhend zu wertende Umstand, dass der Täter einen Teil der Taten während der Probezeit nach einer rechtskräftigen Verurteilung zu einer bedingten Strafe begangen hat, bei der Strafzumessung zu Unrecht unberücksichtigt bliebe (E. 4.3).
 
Das Verfahren nach Art. 46 Abs. 1 Satz 2 StGB ist nach dem klaren Wortlaut der Bestimmung (“… kann …”) fakultativ. Es findet nach dem klaren Wortlaut der Vorschrift nur Anwendung, wenn die bedingte Vorstrafe und die neue Strafe nicht gleichartig sind und daher das Gericht die Art der Vorstrafe ändert. Diese Voraussetzung ist vorliegend nicht erfüllt, da beide Strafen gleichartig sind (E. 4.4).
Im Übrigen enthält der Entscheid des Bundesgerichts Hinweise zu den (hohen) Anforderungen an die Begründungspflicht von Strafurteilen.