Gesetzlich erlaubte Ehrverletzung
Eine Auskunftsperson hat in einem Strafverfahren objektiv ehrverletzende Äusserungen gemacht, ohne als Auskunftsperson überhaupt zu einer Aussage verpflichtet gewesen zu sein. Im gegen sie wegen übler Nachrede geführten Strafverfahren wurde sie gestützt auf Art. 14 StGB freigesprochen. Diesen Freispruch hat das Bundesgericht in einem zur Publikation in der amtlichen Sammlung vorgesehenen Entscheid bestätigt (BGE 6B_68/2009 vom 04. 06.2009).
Rechtmässig verhält sich nach Art. 14 StGB ja nicht nur, wer handelt, wie es das Gesetz gebietet, sondern nach dem Wortlaut der Bestimmung eben auch, wer handelt, wie es das Gesetz erlaubt. Da die Bereitschaft zur Auskunftserteilung bzw. zur Aussage vor den Strafverfolgungsorganen rechtlich erwünscht bzw. im Interesse der Justiz ist, wäre es nicht sachgerecht, die aussagewillige Auskunftsperson durch die Ausschaltung von Art. 14 StGB einem erhöhten Strafbarkeitsrisiko auszusetzen und ihr dadurch die Auskunftsverweigerung grundsätzlich als empfehlenswert erscheinen zu lassen. Es ist deshalb unter dem Blickwinkel der gesetzlichen Erlaubnis gerechtfertigt, auch der Auskunftsperson im Falle ehrverletzender Äusserungen im Rahmen einer (polizeilichen oder richterlichen) Befragung den Schutz von Art. 14 StGB zuzubilligen und sie von der Last des Gutglaubensbeweises im Sinne von Art. 173 Ziff. 2 StGB zu befreien (E. 4).
Dieser Entscheid ist sehr zu begrüssen. Er ist u.a. geeignet, Prozesse in oder aus anderen Prozessen zu verhindern, was immer beliebter zu werden scheint.
Gilt dieser Entscheid vom 04.06.2009 für zurürcklilegende, pendente Fälle oder für künftige Klagen!
Besten Dank im voraus und verbleibe mit freundlichen Grüssen.
Renate B. Ghandchi-Harr
Ein Entscheid gilt immer nur in der ihn betreffenden Angelegenheit. Sie können aber davon ausgehen, dass die Gerichte vergleichbare Sachverhalte gleich entscheiden werden, egal wann sich der Sachverhalt ereignet hat.