Grünes Alien getötet
Das Bundesgericht kassiert das Urteil des Obergerichts ZH, mit dem ein Mann nach Begehung mehrerer brutaler Verbrechen zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und zu einer stationären Massnahme nach Art. 60 StGB verurteilt wurde (BGE 6B_257/2020 vom 24.06.2021, Publikation in der AS vorgesehen).
In Bezug auf ein begangenes Tötungsdelikt – getötet hat er in seiner Vorstellung ein bedrohliches grünes Alien – hat die Vorinstanz “selbstverschuldete Unzurechnugsfähigkeit” festgestellt. Dabei hat sie aber auf ein Gutachten abgestellt, das auf einer nicht justizförmig durchgeführten Befragung basierte, in welcher die “Alien-Geschichte” erstmals Thema war:
Zusammenfassend ist den für den Tathergang zentralen Aussagen des Beschwerdegegners gegenüber den Gutachtern zu seiner Wahrnehmung des Opfers als bedrohliches grünes Alien mangels Erhebung im Rahmen einer justizförmigen Befragung die Verwertbarkeit abzusprechen (E. 4.9.1).
Die Publikationswürdigkeit liegt aber in den Erwägungen zum Vorwurf der Vergewaltigung, mit denen das Bundesgericht die Vorinstanz “in den Senkel stellt (NZZ) und deren Begründung als willkürlich qualifiziert:.
Den Aussagen der Beschwerdeführerin 2 mit dem Verweis auf die späte Anzeigeerstattung sowie ihren (für Dritte wahrnehmbaren) Zustand am Tag nach dem Vorfall die allgemeine Glaubhaftigkeit abzusprechen, wie es die Vorinstanz tut, ist mithin unhaltbar und damit willkürlich (E. 5.4.1).
Ebenfalls zum Vorwurf gereicht der Vorinstanz, dass sie den damaligen Anwalt des Anwalts und dessen Substitutin nicht befragt hatte.
Hinzu kommt, dass die Beschwerdeführerin 2 zu Protokoll gegeben hat, ihrem damaligen Rechtsvertreter Dr. J. und dessen Substitutin K. bereits am 15. Januar 2013 vom Vorfall in London berichtet zu haben (…). Für die Rekonstruktion der Entstehungsgeschichte der Aussagen der Beschwerdeführerin 2 kommt ihren im Büro von Dr. J. relativ früh nach dem streitigen Vorfall getätigten Angaben grosse Bedeutung zu (…). Mittels Befragung des Anwalts und dessen Substitutin hätte sich verifizieren lassen, ob die beiden, wie von der Beschwerdeführerin 2 behauptet, damals tatsächlich über die Vergewaltigungsvorwürfe informiert wurden und was sie dabei genau in Erfahrung gebracht haben. Indem die Vorinstanz es trotz ihrer Zweifel an der Glaubhaftigkeit der Angaben der Beschwerdeführerin 2 unterlässt, Dr. J. und Frau K. zur Sache zu befragen, erachtet sie den angeklagten Sachverhalt gestützt auf eine unvollständige Beweislage als nicht erwiesen. Sie verletzt ihre Ermittlungspflicht und damit Bundesrecht (…) [E. 5.4.1].
Unglaublich wertvoll und wichtig ist dieser Entscheid aber aus meiner Sicht wegen den Ausführungen zur Würdigung des Verhaltens und den Aussagen des Opfers. Es ist zu hoffen, dass damit die unter Strafverfolgern und Spezialisten in der Opferforschung längst bekannten Erkenntnisse über Verhalten von Opfern bei traumatisierenden Vorfällen hoffentlich auch bei Gerichten (und Verteidiger) ankommen und Vorbringen wie “das Opfer hätte doch sogleich Anzeige erstatten sollen sonst sei nichts dran an der Sache” endlich vom Tisch sind! Ein ganz toller Entscheid für Opfer von Sexualdelikte!
Grüezi,
ich bin ein dankbarer “Fan” Ihres Blogs. Die heutige Überschrift finde ich jedoch etwas pietätlos.
Grüsse,
In Anbetracht der Tatsache, dass bei annähernd 80% der Anzeigen auch nichts an der Sache dran ( ausser viel Aufwand für die Justiz ) ist sehe ich keinen Grund einer Praxisänderung bei Strafverteidigern.
Mit der diesbezüglichen Faktenlage tun sich Vertreter*innen von Opferverbänden und auch die ein oder andere feministisch indoktrinierte Staatsanwaltschaft schwer, aber auch das erstaunt angesichts des zunehmenden Qualitätsverlustes durch Geschlechterquoten in der Verwaltung und Opferhilfestellen eher wenig.
Danke das Sie ausgesprochen habe was ich dachte.
Keine Antwort Herr Kollege K? Ich hatte wirklich angenommen, dass Sie sich bei dieser Zahl auf irgendetwas stützen. Ich hatte angenommen, der Anwaltsberuf sei ein wissenschaftlicher Beruf. Wie enttäuschend.
Herr Kollege: Sie sprechen von “annähernd 80% der Anzeigen”. Mich würde interessieren: Woher stammt diese Zahl?
Na, diese Zahl beruht auf den Rückmeldungen seiner Mandanten (“Ich schwöre Ihnen, Herr Verteidiger, dieser Vorwurf ist völlig aus der Luft gegriffen!”)
In der Mehrzahl der Fälle kommt es garnicht zu einem Freispruch sondern das Verfahren wird eingestellt.
(…) Berlin – Im vergangenen Jahr wurden 1387 Ermittlungsverfahren wegen sexueller Übergriffe, Nötigungen und Vergewaltigungen eingeleitet. Aber 1197 der Verfahren wurden wieder eingestellt – 85 Prozent!? (…) ( Quelle Bild )
Wer jahrelang Notrufmissbrauch betreibt und den Vergewaltigungsvorwurf, auch den frei erfundenen, wie so vieles im Feminismus, als rabulistischen Hebel einsetzt, braucht sich nicht zu wundern, wenn ihm keiner mehr glaubt, wenn er wirklich in Not ist. Vor diesem Hintergrund halte ich den möglichen Kollateralschaden dahingehend, dass Täter – die dank gewissenhafter Strafverteidigung – nicht bestraft werden, für vertretbar.
In Berlin wurden im Jahr 2020 85% der “Vergewaltigungsverfahren” eingestellt und daraus leiten Sie ab, dass in “annähernd 80% der Anzeigen auch nichts an der Sache dran ist”?
Im Jahr 2020 wurden in Berlin 40% mehr solche Verfahren eingestellt, als im Jahr 2019. Glauben Sie nicht, das könnte einen völlig anderen Grund haben, als dass “auch nichts an der Sache dran ist”? Kommt hinzu, dass in Deutschland der Straftatbestand der Vergewaltigung im Gegensatz zur Schweiz unabhängig vom Geschlecht des Opfers Anwendung findet. Vielleicht sind es in Berlin ja auch die Männer, die solche Vorwürfe frei erfinden? Schauen Sie: Gerade die Strafrechtler und Kriminologen werden nicht müde zu erklären (zu Recht im Übrigen), dass Kriminalstatistiken kaum bis gar nicht aussägekräftig sind. Das sollte man bei dieser Berliner-Statistik auch mal beachten, zumal die Sache in Berlin diskutiert wird und man sich auch informieren könnte…
Die Frage ist tatsächlich interessant und wenn jemand die Zahlen (Anzeigen versus Einstellung/Freispruch) aus der Schweiz hat, dann täte mich das interessieren. Aber dass in “annähernd 80% der Anzeigen auch nichts an der Sache dran ist”, glaube ich erstmal nicht, bis man mir das Gegenteil beweist. Und ich bin ein Mann und auch prominent auf den Pikettlisten anzutreffen. Aber das macht mich noch lange nicht blind.
Mit ihrer Angabe von wegen dass bei 80% der Anzeigen nichts dran sei, widersprechen Sie eindeutiger (internationaler) Forschung zu diesem Thema. Kann Ihnen diese gerne zur Lektüre angeben. Es würde mich interessieren, womit sie die von Ihnen erwähnte “Faktenlage” begründen.
Dass es heute noch in zu vielen Sexualdelikten zu Freisprüchen kommt, ist u.a. auch darauf zurückzuführen, dass das Opferverhalten falsch interpretiert wird (insbesondere bei Traumatisierungen) und die diesbezügliche Forschung verkannt bzw. ignoriert wird und die Strafverfolgungsbehörde und die Richter dann freisprechen. Das heisst aber nicht, dass nichts dran ist an der Sache. Der neue BGE gibt aber Hoffnung, dass dies bald nicht mehr so ist!
Sind Vergewaltigungsstraftaten nicht einfach sehr undankbare, zeitraubende und mühsamen Straffälle wo es fast für niemanden etwas zu gewinnen gibt und schon gar nicht für die Opfer?
Es gibt nicht nur gewissenlose, empathielose und frauenverachtende Täter es gibt sie auch unter den Polizisten, Staatsanwälten, Richtern und natürlich auch unter den Verteidiger und können sowohl männlich wie weiblich sein.
Ich verweise auf das für uns Laien sehr aufschlussreiche Interview in der NZZ vom 08.12.2018 mit dem Strafverteidiger Thomas Fingerhuth:
«Mitleid mit den Opfern habe ich nur aus taktischen Gründen»: Ein Anwalt erklärt, wie man Mörder verteidigt
Es ist unschwer vorzustellen, was passiert wenn ein Vergewaltigungsopfer nun plötzlich mit so einem Verteidiger zu tun bekommt … da wird dann schnell mal die Farbe des Höschens, die Länge des Ausschnitts usw. thematisiert.
Wenn bereits der Polizist so rüberkommt, wird eine Frau sich dann schon 2x überlegen ob sie wirklich eine Strafanzeige machen soll, dass lässt sich beliebig weiterspinnen.
Ich behaupte Gewaltdelikte sind per se traumatisierend, was Appelationsrichterin Liselotte Henz anlässlich der mündlichen Urteilsbegründung komplett auser acht gelassen hat als diese sagte “Man muss feststellen, dass sie mit dem Feuer spielt” und so dem Opfer eine Mitverantwortung an der Vergewaltigung unterstellte nur um das Urteil auf die 3 Jahre zu reduzieren damit der Täter aus der Haft entlassen und nach Portugal ausgewiesen werden kann.
Ihre Begründung war ihre persönliche Meinung und ich bin gespannt ob diese Begründung so ins Urteil übernommen wird, was ich mir nicht vorstellen kann. Die Vergewaltigung ist durch das Verhalten der beiden Täter – Ausreise nach Portugal unmittelbar nach der Tat – bewiessen eine Reduktion der Strafe mit dieser Begründung erachte ich als Laie als rechts- und gesetzwidrig und wird auch vor der EMRK nicht standhalten.
Ob die Staatsanwaltschaft das Urteil weiterzieht … denke nicht und das Opfer eher auch nicht, es ist für den Staat die günstigste Variante, das Opfer bleibt auf der Strecke.
Dieser Entscheid ist in der Tat faszinierend … letztendlich kann in einer Opfer-Debatte nur mit reden wer selber von einem Gewaltverbrechen (Drohung, Nötigung, Einschüchterung, Vergewaltigung etc.) betroffen ist. Es ist schlicht nicht vorhersehbar wie ein Opfer einer Gewalttat reagieren wird. Die Wissenschaft zeigt mögliche Szenarien auf, welche durch zig-Studien belegt sind und nun vom Bundesgericht anerkannt werden.
Soweit ich das sehe, machen die Ausführungen des Bundesgericht Sinn, das Tötungsopfer unterlag einer regelrechten Gewaltorgie auch die Vergewaltigung beinhaltet ein grosses Mass an Gewalt, Heimtücke und Ausnützung der Situation. Der Anus hat einen Schliessmuskel den der Vergewaltiger zu überwinden hatte, der Täter wusste dies weshalb er mit grosser Kraft einzudringen versuchte, das Opfer war darauf nicht gefasst, weshalb diese ab der Wucht des Stosses kopfüber in die Badewanne fiel.
Der Täter ist offensichtlich sowohl gewalttätig wie sadistisch veranlagt und hat ein abwertendes, erniedrigendes Frauenbild “falsches Loch erwischt”. Das grüne Alien entspringt vor allem den Köpfen der Gutachtern und wurde durch den Täter und den Verteidiger weitergesponnen. Die Angaben zum Drogenkonsum sind wiedersprüchlich, wer dermassen Gewalt gegen ein Opfer einsetzt muss damit rechnen dass es stirbt, Wer Drogen konsumiert weiss, dass sich sein Bewusstsein verändert. Aus dem Urteil geht nicht hervor, dass der Täter aufrichtig Reue zeigte.
Der Täter ist Deutscher und kommt aus einer reichen und angesehen Familie, natürlich wurde dieser durch den Verteidiger auf die Einvernahme durch die beiden Sachverständigen und die StA vorbereitet. Das Strafmass von 3 Jahren ist eindeutig zu niedrig, 6 – 8 Jahren ist das absolute Minimum für diesen sinnlosen Gewaltexzess und selbst dann ist der Täter noch verdammt gut bedient. Das Strafmass für die Vergewaltigung ist noch dazu zurechnen.
Wieso keine Landesverweisung ausgesprochen wurde ist ebenfalls irritierend.
& RA K. : wenn „Bild“ das sagt, wird es sicher stimmen.
Soweit hier die Einstellungspraxis in Berlin, warum auch immer, problematisiert wird, möchte ich als Berliner Strafverteidiger auch meinen Senf dazu geben. Die Strafjustiz ist dort seit Jahrzehnten chronisch überlastet. Wenn sie das Dienstzimmer eines Staatsanwaltes begehen, so können sie diesen allenfalls hinter Aktenbergen erhaschen. Eine gute Ausgangsposition für den Verteidiger. Es wird versucht jeden Fall, soweit wie möglich zur Einstellung zu bringen sofern die Beweislage nicht eindeutig erscheint..