Grundsatzentscheid zum Waffengesetz
Das Bundesgericht hat ein Grundsatzurteil zur Frage der Waffenerwerbsscheinpflicht publiziert (BGE 6B_1319/2016 vom 22.06.2017), das ich aus naheliegenden Gründen nicht kommentiere.
Hier aber die wichtigste Erwägung, die sich mit dem Erwerbsbegriff auseinandersetzt:
Der Beschwerdeführer hat die Waffen bei der Lieferfirma für sich bzw. an die Adresse der Kantonspolizei Solothurn bestellt und mit deren Entgegennahme die tatsächliche Herrschaft über sie erlangt, so dass er über sie verfügen konnte. Dies hat er auch getan, indem er sie an seinen Bekannten weitergegeben hat, der sie seinerseits für ein SWAT-Training verwenden wollte. Damit hat der Beschwerdeführer die Waffen im Sinne des Gesetzes erworben. Da er nicht über einen Waffenerwerbsschein verfügte, hat er sich gemäss Art. 33 Abs. 1 lit. a WG strafbar gemacht. Ob er die Waffen zum eigenen Gebrauch ausgeliehen oder sie bestellt hat, um sie nach der Übernahme einem Dritten zu dessen Gebrauch weiterzugeben, ist in diesem Kontext unerheblich. Wesentlich ist, dass die Waffen in den Herrschaftsbereich des Beschwerdeführers gelangten und ihm die Verfügungsgewalt übertragen wurde. Dass er blosser Vermittler zwischen der Lieferfirma und seinem Bekannten gewesen wäre, lässt sich somit nicht sagen (E. 3.4).
„Dass der Beschwerdeführer die Waffen als Polizist ohne Erwerbsschein erhalten würde, sei der Grund dafür gewesen, dass er persönlich die Bestellung gemacht und seinem Kollegen nicht einfach die Kontaktadresse der Lieferfirma gegeben habe.“ (E 3.2)
Da könnte man stutzig werden.
Ich konnte das fragliche Pistolenmodell im Internet nicht finden, das Urteil der Vorinstanz ebenfalls nicht (unter dem vom Gericht angeführten Datum 27.9.2016 sind auf der kantonalen Website der Gerichtsentscheide nur fünf Nichtstraffälle gelistet). Kann da jemand weiterhelfen?
Das Gericht nennt die Natur der Treibladung nicht (E4.4 Satz „Die Vorinstanz…“).
Das Urteil verletzt Bundesrecht, wenn es sich – was aus dem Nutzungszusammenhang (Uebungen gegen Personen, SV A) anzunehmen ist – bei der Pistole um eine Luftdruck- oder sonstige Waffe handelt, die ein Projektil (hier Farbseife, E4.1 1. Satz) ohne pyrotechnisches Treibmittel bewegt. Die Art des Auslösens dieser Treibladung, ob durch Ventilöffnung oder wie hier mit einem Anzündhütchen (E4.4 Satz „Die Vorinstanz…“), und sei dieses ein pyrotechnisches, spielt keine Rolle.
Andere mögliche Sachvoraussetzungen (es gibt andere, vgl E4.3) für das Fallen der Pistolen unter das Waffengesetz, gar unter die Waffenerwerbsscheinpflicht, nennt das Urteil in der für es verbindlichen Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz (E4.4) keine. Die rechtliche Beurteilung des Verkäufers (E4.4 Satz „Dies entspricht …“) oder gar die frühere und jetzt aufgebebe rechtliche Beurteilung des Beschwerdeführers (E4.4 Satz „Der Beschwerdeführer ging denn offenbar auch selber ..“) sind unschädlich. Die Anführung des Zweiten wirkt auf den Leser übrigens als rhetorisches Zeichen von Argumentationsnotstand.
Wenn das wirklich stimmt, und das Treibmittel aktenkundig ist (was bspw in einer Gebrauchsanweisung der Fall sein kann), ist von einem Versehen des Gerichts auszugehen.
Ergänzung, die auch für den Fall gilt, dass die Treibladung pyrotechnisch war:
Der Wikipedia-Eintrag zu Waffen lautet: Als Waffe werden in der Regel Gegenstände bezeichnet, die dazu bestimmt und geeignet sind, Lebewesen physisch (meist durch mechanische Einwirkung) infolge Verwundung oder Tod bzw. psychisch in ihrer Handlungsfähigkeit zu beeinträchtigen oder handlungsunfähig zu machen
Nicht jeder tragbare Apparat, der eine bewegliche Sache (sei es sich selbst) mittels einer pyrotechnischen Ladung beschleunigt, ist eine Feuerwaffe (Silvesterrakete, Knallteufel). Es muss mehr erfüllt sein, er muss dem Wesen nach auch Waffe, also zusätzlich noch im weiteren Sinne zur Verletzung von Lebewesen („infolge Verwundung oder Tod“, s.o. Def.) grundsätzlich geeignet sein.
Die Ladung muss somit von einer gewissen Energie und auch das Projektil muss von einer minimalen Gefährlichkeit sein, und zwar auch dann, wenn sie nicht die Augen oder sonstige schwierig zu treffende und besonders empfindliche Stellen trifft, gegen die wohl jedes harte, schnelle, heisse oder chemisch reizende Objekt einer gewissen Grösse, ob von einer Ladung bewegt oder nicht, Verletzungsgefahr hervorrufen kann.
Dies ist etwa bei zur Verletzung von Lebewesen nur noch ungelenk, aber allenfalls geeigneten gewissen Sportschusswaffen immer noch der Fall, bei Jagdgewehren oder Viehtötern ebenfalls. Derartige Waffen können nicht – wie hier (E3.1 Satz „Im vorliegenden Fall…“) – im Training Mann gegen Mann eingesetzt werden, eben wegen ihrer Gefährlichkeit. Umgekehrt kann ein Küchenmesser eine Waffe im Wortsinne sein. Man kann es im Training Mann gegen Mann eben nicht einsetzen, die Verletzungsgefahr wäre zu hoch. Den Waffen gemäss Waffengesetz ist also eigen, dass sie alle Waffen im Wortsinne sind.
Daraus lässt sich – von gesetzlichen Sonderfällen abgesehen – folgende Regel ableiten: Jede Waffe gemäss Waffengesetz, also auch jede Feuerwaffe gemäss Waffengesetz (WG Art 4 Abs 1), muss eine Waffe im Wortsinne sein, aber nicht jede Waffe im Wortsinne ist eine Waffe gemäss Waffengesetz.
Hier lag die Sachlage aber anders: Es handelt sich um Markierpistolen für das Training Mann gegen Mann: Dem vom Gericht beigezogenen und nicht in Frage gestellten Plädoyer (E4.1 Satz „Der Beschwerdeführer …“) ist zu entnehmen, dass die Geschosse aus Farbseife bestehen, die mit einen Farbklecks den Getroffenen markieren; diese ist mit Geschossen aus Metall, Hartgummi, Gas oder Schrot nicht vergleichbar und darum kein Projektil mit einer ausreichenden Gefährlichkeit im Sinne des Waffengesetzes.
Daran ändern blutunterlaufende Flecken auf der ungeschützten Haut der Trainingspartner nichts, man kann sie mangels ausreichenden Eindringeffekts nicht gegen reale gegnerische Menschen einsetzen oder Tiere einer gewissen Minimalgrösse, etwa kleine Jagdtiere, bekämpfen. Zudem kann auch ein Ladycracker solche hervorrufen, und die Trainingspartner müssen überdies damit rechnen. Es besteht eben keine qualifizierte Verletzungsgefahr für Lebewesen. Der Einsatz der fraglichen Pistolen im Polizistentraining findet gerade deswegen statt, weil keine richtigen Waffen eingesetzt werden können.
Es handelt sich somit bei den fraglichen FX-Markierpistolen nicht um Waffen im Wortsinne – und zwar auch dann nicht, wenn die Ladung pyrotechnisch gewesen war – und somit gemäss der obigen Regel auch nicht um Feuerwaffen im Sinne des Waffengesetzes.
Das Urteil verletzt somit gleich mehrfach Bundesrecht.
Erstens: Die Ladung der Markierpistole war in der verbindlichen Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz nicht nachgewiesenermassen pyrotechnisch (sonst hätte das Gericht, das die Vorinstanz im übrigen zitiert, dies in E4.4 vorgebracht, ja vorbringen müssen), ein zwingendes Tatbestandsmerkmal, wenn wie hier Feuerwaffenerwerb angeklagt ist. Somit war das Tatwerkzeug nicht nachgewiesenermassen eine Feuerwaffe, die vom Gericht beschriebene Art der Auslösung (per Zündhütchen) der Pistole ist nicht ausreichend und nicht entscheidend, es kommt laut WG Art 4 Abs 1 auf die treibende Ladung an. Das Urteil der Vorinstanz war bereits in Ermangelung des Nachweises eines erforderlichen Tatbestandsmerkmals aufzuheben. Das Versehen ist formeller Natur und auch für einen Laien gut erkennbar.
Das Gericht entscheidet in der Sache selbst. Es hätte also, statt einer Aufhebung und Rückweisung, unter gewissen Bedingungen selbst die Art der Treibladung erwägen und, falls diese pyrotechnisch ist, trotzdem auf Feuerwaffe und somit auf Delikt schliessen können.
Deshalb zweitens: Selbst wenn die Ladung der Pistole pyrotechnisch war (das Urteil schweigt sich über die Marke aus; man findet sowohl Luftdruck- wie pyrotechnische Trainingswaffen, die als „FX“ bezeichnet werden, es kann sich also vorliegend um das eine wie das andere gehandelt haben), schadet das nicht, weil Markierwaffen keine Waffen sind. Das WG gilt nur für Waffen und Teile im Wortsinne (Art 1 Abs 1). Alle Ausnahmen davon sind im Gesetz im Einzelnen aufgelistet und im vorliegenden Fall nicht von Belang (Art 4 Abs 1 Bst g). Abgesehen von diesen Ausnahmen müssen alle Waffen gemäss Waffengesetz grundsätzlich zur Verletzung von Lebewesen geeignet und bestimmt sein, Doppelverwendung wie bei gewissen Sportwaffen eingeschlossen. Das war bei den unbestrittenermassen nichts anderes als Seife zur farblichen Markierung der Kleider Getroffener verschiessenden Geräte nicht der Fall, also auch nicht in Doppelverwendung und auch nicht im weitestmöglichen Wortsinne. Die Markierpistolen werden gerade deswegen zum Training von Polizisten Person gegen Person eingesetzt, weil man nicht richtige Waffen einsetzen kann.
Noch eine Ergänzung: Eine Tischbombe ist offensichtlich geeignet und bestimmt, ein Geschoss (Deckel, Spielzeug) mittels einer pyrotechnischen Ladung (ab Zündschnur angezündete Nitrozellulose) abzugeben, aber ebenso offensichtlich nicht grundsätzlich zur Verletzung von Lebewesen. Wer ernsthaft sagt, eine Tischbombe sei eine erwerbsscheinpflichtige Feuerwaffe nach Waffengesetz und ihre Beschaffung und Verwendung an einem Geburtstagsfest sonst ein Vergehen, ist ein Fall für Ronald McDonald.
Einen glücklichen ersten August an kj und alle