Gutachten oder Amtsbericht?

In einer Haftsache legt sich das Bundesgericht in einem neuen Grundsatzentscheid darauf fest, dass ein forensisch-psychologischer Befundbericht (Risikoeinschätzung als Entscheidgrundlage für die Rückfallprognose) nach den Vorschriften über den Sachverständigenbeweis i.S.v. Art. 182 ff. StPO zu erstellen ist und nicht bloss einen Amtsbericht i.S.v. Art. 195 StPO darstellt (BGE 7B_843/2024 vom 04.09.2024, Publikation in der AS vorgesehen).

Die Einschränkung der Rechte der Betroffenen mit dem Beschleunigungsgebot in Haftsachen zu rechtfertigen, ist unzulässig:

Jedenfalls rechtfertigt es sich nicht, die Rechte auf Äusserung und Teilhabe von vornherein unter Hinweis auf das Beschleunigungsgebot in Haftsachen (vgl. Art. 31 Abs. 3 und 4 BV, Art. 5 Ziff. 3 und 4 EMRK, Art. 5 Abs. 2 StPO) einzuschränken, das die vordringliche Durchführung des Verfahrens gerade im Interesse der beschuldigten Person verankert (E. 3.8.5). 

Dasselbe gilt grundsätzlich auch für die Einschränkung des Gehörsanspruchs, die zu bejahen ist, wenn das Begutachtungsprozedere durch einen Amtsbericht ausgehebelt wird. Eine solche Verletzung kann aber weiterhin “ausnahmsweise” geheilt werden. Es reicht daher, dass sich der Betroffene erst nachträglich zur Person der Gutachterin äussern und Ergänzungsfragen stellen kann (BGE 148 IV 22 E. 5.5.2), also dann, wenn jede Intervention aussichtslos ist.

Obwohl der Beschwerdeführer eigentlich Recht bekommen hat, wurde die Beschwerde abgewiesen und der unentgeltliche Rechtsbeistand, dem der Grundsatzentscheid des Bundesgerichts zu verdanken ist, mit einer Entschädigung von CHF 1,500.00 abgespeist.

Die Bedeutung dieses Entscheids wird sich erst noch herausstellen müssen, weil die Abgrenzung zwischen Gutachten und Bericht unscharf bleibt. Für ein Gutachten spricht aber beispielsweise die Eingriffsintensität. Die würde dann wohl auch für DNA-Analysen und die entsprechenden Berichte gelten.