Gutachter versenkt die lebenslängliche Verwahrung
Das Bundesgericht kassiert die lebenslängliche Verwahrung (Art. 64 Abs. 1bis StGB) im “Fall Marie” (vgl. die Medienmitteilung vom 07.03.2018).
Eine der Voraussetzungen, die das Bundesgericht im Gegensatz zum Obergericht VD verneint hat, lautet wie folgt:
Der Täter wird als dauerhaft nicht therapierbar eingestuft, weil die Behandlung langfristig keinen Erfolg verspricht.
Die Medienmitteilung sagt dazu folgendes:
Bezüglich der lebenslänglichen Verwahrung heisst das Bundesgericht die Beschwerde des Betroffenen gut, da die gesetzlichen Voraussetzungen zur Anordnung der Massnahme nicht erfüllt sind. Das Gesetz verlangt für eine lebenslängliche Verwahrung unter anderem, dass sich das Gericht auf die Gutachten von mindestens zwei erfahrenen und voneinander unabhängigen Sachverständigen stützen kann, die den Täter als dauerhaft nicht therapierbar einstufen (Artikel 56 und 64 Absatz 1bis des Strafgesetzbuches). Gemäss Rechtsprechung bedeutet “dauerhaft nicht therapierbar”, dass der Täter auf Lebzeiten keiner Behandlung zugänglich ist. Das Kantonsgericht ist bei seinem Entscheid davon ausgegangen, dass im konkreten Fall beide der zwei beigezogenen Gutachter zum Schluss gekommen seien, der Verurteilte sei dauerhaft untherapierbar. Das trifft bei einem der Experten indessen nicht zu. Entgegen der Auffassung des Kantonsgerichts hat der fragliche Gutachter keine ausdrückliche dahingehende Feststellung gemacht, dass der bei der Tat 36 Jahre alte Betroffene Zeit seines Lebens einer Behandlung unzugänglich wäre. Vielmehr hat er ausgeführt, dass in der Psychiatrie keine “lebenslangen” Prognosen betreffend der Behandlungsmöglichkeiten gemacht werden könnten. Das Urteil ist in diesem Punkt deshalb aufzuheben und zu neuem Entscheid ans Kantonsgericht zurückzuweisen.
Damit hat ein Gutachter die lebenslängliche Verwahrung m.E. unumkehrbar versenkt. Sie wäre nur noch denkbar, wenn im selben Fall zwei Gutachter zu einem anderen Auffassung kommen würden, was mir als ausgeschlossen erscheint. Der Entscheid des Bundesgerichts zeigt eindrücklich, wie wichtig die Wahl der Gutachter ist, die faktisch allein von den Staatsanwälten getroffen wird.
Einmal mehr wird der Volkswille, durch Richter ausgehebelt. Ob das auf längere Frist gut kommt, bezweifle ich…
Was mich an der Medienberichterstattung und Publikumsrezeptioin zu dem Entscheid sehr gestört hat, ist, dass zwischen Verwahrung (Art. 64 Abs. 1 StGB) und lebenslänglicher Verwahrung (Art. 65 Abs. 1bis StGB) kein Unterschied gemacht wurde. Es hat oft so geklungen, als ob jetzt keine Verwahrung mehr möglich wäre und als ob die normale Verwahrung zwingend endlich wäre, was beides einfach nicht stimmt. Das Bundesgericht stellt ja lediglich strenge Anforderungen an die “lebenslängliche” Verwahrung im technischen Sinne (d.h. gemäss der unsäglichen Volksinitiative), die von vornherein als solche angeordnet und nur unter ganz restriktiven Voraussetzungen wieder aufgehoben werden könnte. Täter können auch ohne “lebenslängliche Verwahrung” lebenslänglich verwahrt werden.
Eine lebenslängliche Verwahrung ist auszusprechen, wenn der Täter “nicht therapierbar” ist (Art. 64 Abs. 1bis lit. c). Dass der Täter psychisch krank ist, ist aber keine (explizite) Voraussetzung von dieser Bestimmung (im Gegensatz zu Art. 64 Abs. 1 lit. b).
Was nun, wenn der Täter nicht psychisch krank ist? Ist eine Massnahme nach Art. 64 Abs. 1bis lit. c StGB möglich oder nicht?
Im Fall “Rupperswil” ist nach Auffassung der Staatsanwältin die lebenslängliche Verwahrunrg anzuordnen, weil ein Teil der Delikte sich nicht mit den psychischen Störungen erklären. Deshalb “könnte der Täter auch nicht behandelt werden. Er sei also nicht therapierbar”.
Dass ist ein psychisch gesunder Mensch nicht therapierbar? Die Staatsanwältin weiss genau, dass ihr Antrag juristisch unhaltbar ist. Er ist “politisch” motiviert.