Haar statt Blut

In einem Administrativverfahren wurde einem Arzt der Führerausweis aufgrund einer Haaranalyse auf unbestimmte Zeit entzogen. Das Bundesgericht hat diesen Entscheid gestützt auf kantonales Beweisrecht (das Bundesrecht siehr sie noch nicht vor) geschützt (Urteil 6A.8/2007 vom 01.05.2007). Hier ein paar Auszüge aus dem Urteil:

Auf eine fehlende Fahreignung darf geschlossen werden, wenn die Person nicht mehr in der Lage ist, Alkoholkonsum und Strassenverkehr ausreichend zu trennen, oder wenn die nahe liegende Gefahr besteht, dass sie im akuten Rauschzustand am motorisierten Strassenverkehr teilnimmt. Somit können auch suchtgefährdete Personen, bei denen aber jedenfalls ein Alkoholmissbrauch vorliegt, vom Führen eines Motorfahrzeugs ferngehalten werden (BGE 129 II 82 E. 4.1). (E. 2.1).

Bisher wurde der Beweis über Blutanaylsen geführt, womit aber kein direkter Alokoholkonsum-Nachweis erbracht werden kann. Dagegen stellt die Haaranalyse auf Ethylglucuronid (ETG) eine direkte, beweiskräftige Analysemethode dar:

Weil ETG ein Abbauprodukt von Alkohol ist, belegt dessen Nachweis den Konsum von Alkohol. Aufgrund des Kopfhaar-Längenwachstums von ca. 1 cm pro Monat lassen sich Aussagen über den Alkoholkonsum während der entsprechenden Zeit vor der Haarentnahme machen. Nach dem Gutachter werden ETG-Resultate über 30 bzw. 51 pg/mg nur bei Patienten mit Alkoholproblemen beobachtet. Die Analyse kann somit auch zur Entlastung des Betroffenen führen (E. 2.3).

Prozessual zu beachten ist, dass im vorliegenden Fall kantonales Beweisrecht anwendbar ist. Dazu und zu seiner Kognition führte das Bundesgericht folgendes aus:

Eine Haarentnahme greift zwar in die körperliche Integrität und damit in das Grundrecht der persönlichen Freiheit ein. Sie ist aber lediglich als leichter Eingriff anzusehen (…). Bei einem leichten Grundrechtseingriff prüft das Bundesgericht das Vorliegen einer gesetzlichen Grundlage unter dem Gesichtspunkt der Willkür. Die Eingriffsermächtigung lässt sich angesichts der bundesrechtlichen Untersuchungspflicht und der Verweisung auf das kantonale Recht ohne Willkür auf Art. 12 des Gesetzes über die Verwaltungsrechtspflege des Kantons St. Gallen vom 16. Mai 1965 (VRP/SG) stützen (E. 2.4).

Die kantonalgesetzliche Grundlage sieht die Haaranalyse selbstverständlich auch nicht vor, sondern beschränkt sich auf allgemeine Floskeln (Beweiserhebung von Amts wegen durch Beizug von Sachverständigen, der auch Hilfspersonen beiziehen kann), die dem Bundesgericht hier aufgrund der Willkürkognition aber reichten. Nebst einer gesetzlichen Grundlage sind auch die übrigen Eingiffsvoraussetzungen zu prüfen. Das Bundesgericht sagte dazu einzig und allein folgendes:

Weiter sind das öffentliche Interesse an der Abklärung sowie die Verhältnismässigkeit der Massnahme ohne weiteres zu bejahen.

Selbst wenn das zu bejahen ist, als Begründung kann man diese Äusserung jedenfalls nicht qualifizieren. Mit ähnlich überzeugenden Argumenten schmetterte das Bundesgericht auch die Einwände gegen die Haarentnahme und die Analyse durch ein luxmemburgisches Labors ab:

Wie sich auch aus der Darstellung in der Beschwerde (S. 6) selber ergibt, erweist sich im Übrigen die Auffassung der Vorinstanz entgegen dem Beschwerdevorbringen nicht als unzutreffend, wonach er in seinem Rekurs weder das Ergebnis der Haaranalyse als solches noch die fachliche Befähigung des mit der Analyse beauftragten luxemburgischen Labors und dessen Mitarbeiter bestritten habe. In jener dem Gutachter zur Stellungnahme zugestellten Eingabe vom 8. Juni 2006 (act. 19) wurde auf S. 3 bloss eine nicht korrekte Entnahme der Haarprobe geltend gemacht. Dieser Einwand wurde vom Gutachter zurückgewiesen. Für die Vorinstanz waren für entsprechende Zweifel auch keine Anhaltspunkte ersichtlich (E. 2.4).

Dass die Haaranalyse auch Vorteile für den Probanden hat, ist nicht zu bestreiten:

Beweiserhebungen sind nach den allgemeinen Grundsätzen nur soweit durchzuführen, als sie erforderlich sind. […]. Eine Befragung des Arbeitgebers und der Tochter erschien für einen sicheren Befund nicht mehr erforderlich. Der Gutachter hat dieses Vorgehen in seiner verkehrsmedizinischen Stellungnahme ausführlich begründet. Er hat sich auf hinreichende Unterlagen gestützt (Akten, Befragung und Befunde der körperlichen Untersuchung, Selbstbeurteilungsfragebogen, Ergebnisse der Blut-, Urin- und Haaranalyse). Die Einwände des Beschwerdeführers sind unbegründet (E. 2.5).

Ergebnis:

Entsprechend ist von der vorinstanzlichen Feststellung auszugehen, dass beim Beschwerdeführer eine verkehrsrelevante Alkoholproblematik mit Abhängigkeitscharakter gemäss ICD-10 vorliegt (E. 2.6).

Der Entscheid mag im Ergebnis durchaus richtig sein. Immerhin lagen auch Blutanalysen vor, die zum selben Ergebnis führten. Was aber dringend zu fordern ist, ist ein Ausbau der Mitwirkungsrechte (etwa bei der Wahl des Gutachters) und eine lückenlose, nachvollziehbare Dokumentation von der Haarentnahme bis zur Auswertung. Selbst luxemburgische Labors sind von Irrtümern und Verwechselungen nicht gefeit.

P.S. Dies ist Blog-Eintrag Nr. 1,000.