Haft ohne Haftgrund
Einmal mehr musste das Bundesgericht feststellen, dass ein Massnahmenpatient nicht entlassen wurde, obwohl der mit der Massnahme verbundene Freiheitsentzug die gesetzliche Höchstdauer überschritten hat (BGer 6B_1432/2017 vom 15.01.2018).
Offenbar ist noch immer nicht überall bekannt, wie man die Dauer berechnet und wie man bei Verlängerung vorzugehen hat:
Der Entscheid betreffend Verlängerung der Massnahme muss vor Ablauf der Fünfjahresfrist nach Art. 59 Abs. 4 StGB ergehen. Ist die rechtzeitige Verlängerung nicht möglich, ist für die Zeit bis zum endgültigen Entscheid Sicherheitshaft anzuordnen (vgl. Urteil 1B_6/2012 vom 27. Januar 2012 E. 2.2.2 f.). Beides ist vorliegend nicht geschehen, denn die Massnahme lief am 19. September 2017 ab und der Entscheid des Straf- und Massnahmenvollzugsgerichts erging erst am 27. Oktober 2017. Für die Zeit zwischen dem 20. September 2017 und dem Entscheid des Straf- und Massnahmenvollzugsgerichts lag daher zweifelsohne kein Hafttitel vor. Während der genannten Dauer war der Freiheitsentzug somit formell rechtswidrig. Dass der mit dem Massnahmenvollzug verbundene Freiheitsentzug die Dauer der angeordneten Freiheitsstrafe noch nicht erreicht hat, ändert daran nichts. Der Strafvollzug wurde zu Gunsten der stationären therapeutischen Massnahme aufgeschoben. Der Vollzug der Reststrafe würde bedingen, dass die Massnahme aufgehoben (vgl. BGE 141 IV 49 E. 2.2 mit Hinweisen) und der Vollzug der Reststrafe angeordnet würde. Ein formell gültiger Hafttitel lässt sich auch mit dem Argument des Vollzugs der Reststrafe nicht begründen (E. 1.5).
Das führt dann aber natürlich nicht zur Entlassung, denn viel wichtiger als das Gesetz ist in der Schweiz auch weiterhin die Vernunft oder was auch immer:
Das vorübergehende Fehlen eines Hafttitels im gerichtlichen Nachverfahren führt demgegenüber nicht zwingend zur ebenfalls beantragten Haftentlassung. Zwar kann der Ablauf von richterlichen Haftfristen bei Untersuchungs- und Sicherheitshaft im Vor- und Hauptverfahren einen Haftentlassungsgrund darstellen. Dabei ist auch die Unschuldsvermutung zugunsten von strafprozessual Inhaftierten (vor einer allfällig rechtskräftigen Verurteilung) zu berücksichtigen (Art. 10 Abs. 1 StPO; Urteil 1B_270/2017 vom 28. Juli 2017 E. 2). Im vorliegenden Fall geht es jedoch um Sicherheitshaft im massnahmerechtlichen Nachverfahren gegenüber einem rechtskräftig Verurteilten. Zwar versäumte es die kantonal zuständige Instanz, die Sicherheitshaft rechtzeitig anzuordnen. Dass materielle Haftgründe, wie von der Vorinstanz ausgeführt, vorliegen, wird vom Beschwerdeführer allerdings nicht bestritten. Dass der Freiheitsentzug auch in Zukunft aufrechterhalten wird, indem entweder die Massnahme verlängert oder eine andere Massnahme angeordnet wird, ist absehbar. Im Raum steht gemäss Vernehmlassung des Straf- und Massnahmenvollzugsgerichts auch eine Verwahrung. Andernfalls wäre zudem die Reststrafe der ausgefällten Freiheitsstrafe von elf Jahren und acht Monaten zu vollziehen.Bei dieser Sachlage drängt sich hier von Bundesrechts wegen keine Haftentlassung auf. Vielmehr kann das Fehlen eines Hafttitels auch andere Rechtsfolgen mit sich bringen. Namentlich ist die Unrechtmässigkeit der Haft in (teilweiser) Gutheissung der Beschwerde festzustellen. Zudem sind die Verfahrenskosten im entsprechenden Umfang dem Staat aufzuerlegen. Überdies kann der Betroffene, je nach der Schwere der Gesetzwidrigkeit, ein Entschädigungsverfahren nach Art. 429 ff. StPO, insbesondere Art. 431 StPO, einleiten (BGE 136 I 274 E. 2.3; Urteile 1B_6/2012 vom 27. Januar 2012 E. 3.2; 1B_683/2011 vom 5. Januar 2012 E. 2.2.1; je mit Hinweisen). Soweit der Beschwerdeführer allerdings bereits jetzt eine Genugtuung für die erstandene formell unrechtmässige Haft verlangt, ist auf die Beschwerde nicht einzutreten. Wie bereits die Vorinstanz festhielt, sind Entschädigungsansprüche nicht im Haftprüfungs- und Haftbeschwerdeverfahren selber zu beurteilen (vgl. Urteil 1B_270/2017 vom 28. Juli 2017 E. 7 mit Hinweisen) [E. 1.7].