Haftbeschwerderecht der Staatsanwaltschaft fällt nun doch

Kurz nachdem das Bundesgericht das Gegenteil entschieden hatte (vgl. meinen früheren Beitrag) fügt sich das Bundesgericht nun doch noch dem Willen des Gesetzgebers und kippt das von ihm selbst erfundene contra-legem-Beschwerderecht der Staatsanwaltschaft in Haftsachen. Dies geht aus einer Medienmitteilung hervor, die das Bundesgericht heute publiziert hat:

Die Staatsanwaltschaft verfügt über kein Beschwerderecht gegen Entscheide der
Zwangsmassnahmengerichte über die Anordnung, Verlängerung und Aufhebung von
Untersuchungs- oder Sicherheitshaft gegen Beschuldigte. Das Bundesgericht passt
seine Praxis per sofort an. Mit dem Entscheid des Parlaments, bei der Revision der
Schweizerischen Strafprozessordnung der Staatsanwaltschaft kein Beschwerderecht
einzuräumen, hat der Gesetzgeber klar seinen Willen zum Ausdruck gebracht, die
bisherige bundesgerichtliche Rechtsprechung nicht zu übernehmen.

Dagegen hatte das Bundesgericht in seinem letzten Entscheid noch folgendes ausgeführt:

Zwar soll somit nach dem Willen des Gesetzgebers die Staatsanwaltschaft die genannten Haftentscheide nicht mehr bei der Beschwerdeinstanz anfechten können. Daraus wäre indessen selbst dann nichts zugunsten des Beschwerdeführers abzuleiten, wenn die Gesetzesänderung mit ihm als Korrektur der bundesgerichtlichen Rechtsprechung aufgefasst würde. Neue Rechtsnormen gelten erst ab Inkraftsetzung und entfalten grundsätzlich keine Vorwirkung (vgl. BGE 136 I 142 E. 3.2; 129 V 455 E. 3; 125 II 278 E. 3c; je mit Hinweisen). Gründe, wieso von diesem Grundsatz hinsichtlich des noch nicht in Kraft gesetzten geänderten Art. 222 StPO abzuweichen wäre, nennt der Beschwerdeführer keine und sind nicht ersichtlich. Ebenso wenig folgt aus dem Entscheid des Gesetzgebers, dass der geltende Art. 222 StPO nunmehr entgegen den in der Rechtsprechung des Bundesgerichts für die bisherige Auslegung angeführten Gründen im Sinne des geänderten Art. 222 StPO auszulegen wäre. Auch sonst besteht aufgrund der Vorbringen des Beschwerdeführers kein Anlass, auf diese Rechtsprechung zurückzukommen. 

Die beiden neuen Entscheide (BGer 1B_614/2022, 1B_628/2022, beide vom 10.01.2023) sind noch nicht online. Man darf aber gespannt sein, wie sich der Spruchkörper zusammensetzt.

Zum Schluss aber noch ein weiteres Zitat aus der heutigen Medienmitteilung, das mir als sehr bemerkenswert erscheint:

Das Bundesgericht heisst die dagegen erhobenen Beschwerden des Mannes teilweise gut. Das Obergericht hätte in Anbetracht der nun erfolgten Anpassung der Praxis auf die Beschwerden der Staatsanwaltschaft nicht eintreten dürfen. Das hat indessen nicht die sofortige Haftentlassung des Beschwerdeführers zur Folge. Da es sich um eine nicht vorhersehbare Anpassung der Rechtsprechung handelt, muss das Zwangsmassnahmengericht neu über die Haftentlassung befinden. Namentlich stellt sich die Frage, ob es gleich entschieden hätte, wenn es darum gewusst hätte, dass sein Entscheid ohne Anfechtungsmöglichkeit sofort rechtskräftig werden würde (Hervorhebungen durch mich).