Halunke verurteilt?
Eine Strafgerichtspräsidentin soll einen Beschuldigten, den sie verurteilt hat, während der mündlichen Urteilseröffnung als Halunken bezeichnet haben.
Das Bundesgericht sieht darin keine Verletzung der Menschenwürde (BGer 6B_734/2014 vom 05.05.2015):
Sollte der Beschwerdeführer im Rahmen der mündlichen Urteilsbegründung vor erster Instanz tatsächlich als Halunke bezeichnet worden sein, geschah dies im Kontext seiner Verurteilung wegen zahlreicher Straftaten wie Betrug, Urkundenfälschung etc. In diesem Zusammenhang betraf der Begriff ihn als verurteilten Straftäter und nicht ihn als Person oder in seiner Werthaftigkeit als Mensch. Eine Verletzung der Menschenwürde ist nicht gegeben (E. 1.2).
Auch das Fairnessgebot ist nicht tangiert:
Inwiefern sein Anspruch auf ein faires Verfahren verletzt sein soll, zeigt der Beschwerdeführer nicht konkret auf. Die geltend gemachte Beschimpfung soll im Rahmen der mündlichen Urteilsbegründung stattgefunden haben, mithin nach Abschluss von Strafuntersuchung und erstinstanzlicher Hauptverhandlung. Dass er zuvor schon menschenunwürdig behandelt worden sei oder andere Verfahrensrechte verletzt wurden, macht der Beschwerdeführer nicht geltend. Er legt nicht dar und es ist nicht ersichtlich, inwiefern eine einzige, allenfalls unangebrachte Äusserung während der Urteilsbegründung das gesamte zuvor korrekt geführte Verfahren unfair werden lassen soll. Eine Verletzung des Fairnessgebots ist nicht auszumachen (E. 1.3).
Ob der Vorwurf überhaupt zutraf, hat das Bundesgericht nicht geprüft. Es spricht aber vieles dafür. Klar erscheint mir aber, dass eine Richterin noch während der Urteilseröffnung in den Ausstand geschickt werden müsste.
Sollte der Ausspruch gefallen sein, habe ich sowas nur bei einem anderen Richter schon gehört: Roland Freisler
Freisler ist mir ganz spontan auch eingefallen. Aber das darf man ja nicht denken, geschweige denn sagen.
„Klar erscheint mir aber, dass eine Richterin noch während der Urteilseröffnung in den Ausstand geschickt werden müsste.“
Das ist mir auch durch den Kopf. Nur wie würde man das sinnvollerweise anstellen? Ich habe einmal erlebt, wie ein Richter reagiert, der während seiner Urteilsverkündung unterbrochen wird (nicht durch mich). Die ausfällige Reaktion stand einem Roland Freisler in nichts nach…
Richter sind generell keine Leute, die gerne Unterbrochen werden und schon gar nicht bei ihrem grossen Auftritt, der Urteilsverkündung.
Das sehe ich anders: Das Gericht hat sich während des gesamten Verfahrens der Zurückhaltung zu bedienen und von irgendwelchen wertenden Aussagen möglichst Abstand zu nehmen, sofern diese nicht Teil der Befragung sind. M.E. stünde es dem Gericht auch gut an, entsprechende Bemerkungen in der Urteilsbegründung zu unterlassen, doch wenn überhaupt, sind sie dort zulässig. Denn mit der Fällung des Urteiles hat das Gericht eine Wertung vorzunehmen. Wenn es sich dann entsprechender Kraftausdrücke bedient, dies noch dazu begründet und nicht in strafrechtlich relevanter Weise, so mag dies von schlechtem Geschmack zeugen, nicht jedoch per se von schlechter Juristerei.
Man frage sich, ob klare Worte des Richters den Geschädigten wohltun? Aber was sag ich da, die und ihr Befinden spielen ja keine wesentliche Rolle…
Das ist das Wesen des Strafprozesses. Es geht darum, die Schuld des Angeklagten festzustellen und gegebenenfalls die Sanktion zu bestimmen. Die Geschädigten dürfen keine wesentliche Rolle spielen. Der Staatsanwalt vertritt den Strafanspruch. Und noch was: es ist einfach einem Richteramt nicht würdig, einen Verurteilten zu beleidigen. Es reicht doch, wenn er ihn verurteilt.
Hier gleich mit der Nazikeule (Freisler) zu kommen erscheint mir ebenso unnötig wie das Verhalten der Richterin. Man darf das ganz sicher denken und auch sagen, ist sich m. E. aber der historischen Tragweite der Freislerschen Justiz zu wenig bewusst, wenn man einen derart saloppen Vergleich anstellt. Dessen ungeachtet sind persönliche Angriffe oder Beleidigungen vor Schranken eines Richteramts wirklich nicht würdig – dies sollte man übermotivierten Strafverteidigern überlassen… Aber das sollte man hier wohl weder denken geschweige denn sagen…
Das musste ja kommen, peb. Ich lasse mir nicht verbieten, etwas zu sagen, das mir spontan in den Sinn gekommen ist. Und die Nazi-Keule hat hier auch niemand geschwungen, auch nicht übermotivierte Strafverteidiger, die Ihren moralischen Maßstäben nicht genügen.
In der ersten Bemerkung habe ich (selber Richter) keine Keule hervorgeholt, nur gesagt, wo – und nur wo – ich sowas schon gehört habe. Das ist subjektives Faktum und subjektive Wahrheit, ohne wenn und aber.