HIV-Infizierung: schwere Körperverletzung möglich

Das Bundesgericht präzisiert seine kürzlich geänderte Rechtsprechung (s. meinen früheren Beitrag und BGE 139 IV 214) zur vorsätzlichen Infizierung mit dem HI-Virus (BGer 6B_768/2014 vom 24.03.2015; Publikation in der AS vorgesehen). Es schützt damit ein Urteil des Obergerichts des Kantons Bern, das die fraglichen Infizierungen gestützt auf die Erläuterungen eines Sachverständigen unter die Generalklausel gemäss Art. 122 Abs. 3 StGB subsumiert hatte. Das Obergericht war zum Schluss gelangt, es liege eine massive, tiefgreifende und lebenslange Beeinträchtigung der körperlichen und psychischen Gesundheit vor, die in ihrer Qualität und in ihren Auswirkungen den in Art. 122 Abs. 2 StGB beispielhaft genannten Schädigungen in nichts nachstehe. Es gilt zudem weiterhin ein objektiver Massstab:

Die Wendung in der Regeste des publizierten Entscheids, wonach die HIV-Infektion “unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Einzelfalls als einfache oder als schwere Körperverletzung zu qualifizieren” sei, ist im Zusammenhang mit der dem Entscheid zugrunde liegenden Würdigung der HIV-Infektion als  lebensgefährliche Körperverletzung von Art. 122 Abs. 1 StGB zu sehen. Darin liegt keine Reduktion der rechtlichen Würdigung auf einen rein subjektiven Massstab (E. 2.4.1).