Höchstrichterlicher Bastelkurs
Das Obergericht BE hat Bundesrecht verletzt, indem es nicht vorab beachtet hat, dass die erste Instanz die Akten nicht ordnungsgemäss erstellt und übermittelt hat. Letztere hat es versäumt, unverwertbare Beweismittel aus den Akten zu entfernen (Art. 141 Ab. 5 StPO). Das Obergericht hat das Beweisverfahren durchgeführt und einem Zeugen unverwertbare Aktenstellen vorgehalten, was bundesrechtswidrig war (BGer 7B_267/2023 vom 24.05.2024).
Das Bundesgericht erklärt dem Obergericht gleich auch noch das weitere Vorgehen:
Die Vorinstanz wird zunächst, unter Gewährung des rechtlichen Gehörs an die Verfahrensparteien, einen neuen Beschluss zu fassen haben, welche exakten Aktenstellen (unter Angabe von Seitenzahl und Zeilennummern) unverwertbar sind. Anschliessend wird sie die unverwertbaren Stellen aus den Akten entfernen und separat bzw. verschlossen aufbewahren müssen.
Soweit eine ganze Einvernahme (d.h. jene von B. vom 11. Februar 2020) betroffen ist, hat die Vorinstanz die fehlenden Aktenstellen mit einem separaten Blatt „unverwertbare Akten“, unter Angabe der Seitenzahlen der unverwertbaren Akten, kenntlich zu machen.
Soweit nicht die ganzen Einvernahmen von der Unverwertbarkeit betroffen sind (Einvernahme von B. vom 3. März 2020, Einvernahmen des Beschwerdeführers und von B. vor Vorinstanz), empfiehlt es sich, die Originale der Aktenstellen zu kopieren (erster Schritt), auf der Kopie die unverwertbaren Aktenpassagen zu schwärzen bzw. mit Tipp-Ex unkenntlich zu machen (zweiter Schritt), die geschwärzte bzw. mit Tipp-Ex bearbeitete Kopie nochmals zu kopieren und anstelle des Originals in die Akten zu legen (dritter Schritt). Die unverwertbaren Originale bzw. Aktenteile sind in ein Couvert zu legen, zu verschliessen und separat von den Akten aufzubewahren. Die Arbeitskopien, welche die „Originalschwärzung“ bzw. mit Tipp-Ex bearbeiteten Stellen enthalten (zweiter Schritt), sind unverzüglich zu vernichten (E. 3.1).
Wo ist die Erwägung, in welcher noch steht, dass man bei allen an der Einvernahme und am Verfahren beteiligten Personen (Zeugen, Richter, Gerichtsschreiber, Staatsanwaltschaft, Privatkläger, Verteidiger etc.) noch mit diesem Blitzdings-Gedächtnislöschungs-Werkzeug („neuralyzer“) aus „Men in Black“ die Erinnerungen an die nicht verwertbaren Beweismittel löschen müsse…?! 🙂
Ein höchst erfreulicher und für die strafprozessuale Zukunft hoffentlich wegweisender höchstrichterlicher Bastelkurs!
Also so lächerlich ist der „wegweisende höchstrichterlicher Bastelkurs“ nicht. In Schaffhausen hat die Justizkommission (bzw. Kantonsrat Peter Scheck) die Kommissionsprotokolle falsch geschwärzt, namentlich hat er einfach schwarze Balken über bestehenden Text in einem PDF-Dokument (darauf) gelegt: Blöd nur, dass der Text nicht weg (=zensiert) war, sondern man ihn unter den Balken kopieren konnte.?. Die Schaffhauser AZ (Zeitung) hat darüber umfangreich berichtet. Hätte er die Schritt-zu-Schritt-Anleitung des Bundesgerichts befolgt, dann wäre es nicht dazu gekommen.
@Laie: durchaus einverstanden.
Bei Justitia 4.0 müssen wir dann tipp-ex auf den Bildschirm tun.