How-To: Gesamtstrafenbildung im Rückversetzungsverfahren
Das Bundesgericht (BGer 6B_765/2008 vom 07.04.2009, BGE-Publikation) hat eine weitere Frage zum neuen Allgemeinen Teil des StGB geklärt und sich zur Methodik der Gesamtstrafenbildung im Rückversetzungsverfahren geäussert. Zudem hat es festgehalten, dass im Rückversetzungsverfahren die Anordnung des bedingten oder teilbedingten Vollzugs ausgeschlossen ist:
Offenkundig kann es deshalb nicht die mutmassliche Meinung des Gesetzgebers (gewesen) sein, das System von Art. 49 StGB bei der Gesamtstrafenbildung im Rückversetzungsverfahren unbesehen zu übernehmen. Ebenso wenig soll es insoweit aber zulässig sein, den Vorstrafenrest und die ausgefällte Strafe für die neuen Straftaten gemäss dem Kumulationsprinzip wie bisher einfach zu addieren (vgl. Botschaft, a.a.O.). Es kann deshalb im Rahmen von Art. 89 Abs. 6 StGB in Verbindung mit Art. 49 StGB nur darum gehen, dem Täter bei der Festlegung der Sanktion in sinngemässer Anwendung des Asperationsprinzips – im Vergleich zum Kumulationsprinzip – eine gewisse Privilegierung zu gewähren, wenn sowohl die Freiheitsstrafe für das neue Delikt als auch die konkrete Reststrafe zum Vollzug anstehen. Das Gericht hat dabei methodisch stets von derjenigen Strafe als “Einsatzstrafe” auszugehen, die es für die während der Probezeit neu verübte Straftat nach den Strafzumessungsgrundsätzen von Art. 47 ff. StGB ausgefällt hat. Das gilt insbesondere deshalb, weil sich der noch zu vollziehende Vorstrafenrest in der Regel keiner, also auch nicht einer allfällig schwersten Tat, zuordnen lässt, da insbesondere bei Vorliegen mehrerer Straftaten nicht gesagt werden kann, welche Delikte des Täters durch Strafverbüssung bereits “abgegolten” bzw. welche noch “offen” sind. Die für die neuen Straftaten ausgefällte Freiheitsstrafe bildet als Einsatzstrafe die Grundlage der Asperation. Das Gericht hat diese folglich mit Blick auf den Vorstrafenrest angemessen zu erhöhen. Daraus ergibt sich die Gesamtstrafe im Rückversetzungsverfahren (E. 2.4.1).
Im Rückversetzungsverfahren ist die Gewährung des bedingten oder teilbedingten Vollzugs ausgeschlossen:
Dass die im Verfahren nach Art. 89 Abs. 6 StGB gebildete Gesamtstrafe unbedingt anzuordnen und damit in jedem Fall vollständig zu vollziehen ist, ergibt sich ohne weiteres daraus, dass eine solche überhaupt nur gebildet werden kann, wenn die Voraussetzungen für einen unbedingten Vollzug der neuen Freiheitsstrafe vorliegen und die Reststrafe ebenfalls für vollziehbar erklärt worden ist. Die Gewährung sowohl des bedingten (Art. 42 StGB) als auch des teilbedingten Strafvollzugs (Art. 43 StGB) fallen bei einer gemäss Art. 89 Abs. 6 StGB gebildeten Gesamtstrafe mithin ausser Betracht (E. 2.4.2).