"Ich bin ein Ruderboot" und "in dubio pro reo"
Das Bundesgericht setzt sich in BGer 6B_626/2007 vom 19.02.2008 mit einem Sachverhalt auseinander, den das Opfer einer sexuellen Nötigung (B.) wie folgt darstellte.
Sie lernte den Beschwerdeführer anfangs 2003 kennen. Ihr Freund C. empfahl ihn ihr als Berater für die Stellensuche. Sie traf ihn zu diesem Zweck im Hotel Münchwilen in Münchwilen und liess sich von ihm Tipps geben, wie man sich auf der Stellensuche und bei Vorstellungsgesprächen zu verhalten hat. An diesem ersten Treffen fand B. einzig ungewöhnlich, dass sie vom Beschwerdeführer gefragt wurde, ob er sie in den Arm nehmen dürfe, worauf er sie auf ihre Zusage hin innig umarmte. Da sie vom Kiffen wegkommen wollte und wusste, dass der Beschwerdeführer auch Menschen mit Drogenproblemen beriet, rief sie ihn Monate später an und traf sich mit ihm auf seinen Vorschlag hin am 8. Oktober 2003, um 21:30 Uhr, in der Bar des Hotels Münchwilen. Sie begaben sich dann ins Hotelzimmer des Beschwerdeführers, wo sie sich auf dessen Geheiss an den Tisch setzte und Bäume zeichnete, die eine Beziehung zu ihrem Umfeld darstellen sollten, sowie einen Bericht zum Thema „Ich bin ein Ruderboot“ erstellte. Der Beschwerdeführer erklärte ihr daraufhin, ihr Problem mit dem Kiffen hange damit zusammen, dass ihr Freund ihr keinen Orgasmus verschaffen könne. Er sagte ihr, sie steige jetzt einen Berg hoch, wies sie an, im Zimmer auf und ab zu gehen und forderte sie immer wieder auf, sich gehen zu lassen und zu entspannen. Seine Sprechweise versetzte B. in eine Art Trance. Nachdem sie sich aufs Bett gelegt hatte – warum sie das tat, weiss sie nicht mehr – wurde sie vom Beschwerdeführer, der sich neben sie setzte, anfänglich über den Kleidern am Bauch gestreichelt. Er schob ihr dann das T-Shirt hoch, […]. B. realisierte zwar, was ihr geschah und wollte es nicht, konnte sich indessen nicht wehren. Sie habe Vertrauen zu ihm gehabt und sei in einer Art Trance gewesen; sie habe sich irgendwie als unbeteiligte Zuschauerin gefühlt. Anschliessend habe er sie angewiesen, mit niemandem über diese Behandlung zu sprechen (E. 2.1).
Diese Aussagen qualifizierte die Vorinstanz wie folgt:
Für das Obergericht (…) sind die Aussagen von B. detailliert, lebendig, gespickt mit originellen Umständen und in sich stimmig. Sie schildere auch Verhaltensweisen des Beschwerdeführers und belaste diesen nicht übermässig, indem sie auch durchaus Positives über ihn berichte. Die von ihr geschilderten Folgen der Übergriffe – ständiges Weinen – erschienen deliktsspezifisch, ebenso die Aufforderung des Beschwerdeführers, sie solle mit niemandem über die Behandlung sprechen. Insgesamt lägen eine grosse Anzahl Realitätskriterien vor, weshalb davon auszugehen sei, dass ihrer Schilderung ein tatsächliches Erlebnis zu Grunde liege (E. 2.4).
Bei der Beurteilung der Glaubhaftigkeit von Aussagen kommt die schweizerische Rechtsprechung kaum je über pseudowissenschaftliche anmutendes Niveau hinaus. Das reicht aber allemal, solange das Bundesgericht nur unter dem Blickwinkel der Willkür prüft und damit einen der wichtigsten Grundsätze des Straf- und Strafprozessrechts („in dubio pro reo“) der kantonalen Rechtsprechung überlässt:
Zusammenfassend sind somit die tatsächlichen Feststellungen des Obergerichts, wonach der Beschwerdeführer B. zunächst durch psychische Beeinflussung zum Widerstand unfähig machte und dann ohne ihr Einverständnis sexuelle Handlungen an ihr vornahm, keineswegs offensichtlich unhaltbar (E. 2.7).