Im Kühlschrank versteckt
Aussagen von Polizisten sind offenbar auch dann (oder besonders dann?) glaubhaft, wenn sie derart fernliegen, dass man sie gar nicht erst überprüfen muss. Das ist mein etwas wirres Fazit aus einer vielleicht ein bisschen merkwürdigen Begründung eines neuen Urteils des Bundesgerichts (BGer 6B_1196/2013 vom 22.12.2014).
Das Bundesgericht brauchte dafür übrigens erstaunlich viel Zeit, um die offenbar völlig aussichtslose Beschwerde abweisen zu können:
Auch das darauffolgende Verhalten des Beschwerdeführers hätten sie detailliert, lebensnah und in sich stimmig dargelegt. Anzeichen, die Glaubwürdigkeit der Polizisten infrage zu stellen, sieht die Vorinstanz nicht. Diese hätten keinen Anlass gehabt, sich eine solch fernliegende Schilderung der Ereignisse einfallen zu lassen, wenn sie den Sachverhalt unrichtig hätten wiedergeben wollen. Demgegenüber vermöchten die widersprüchlichen und vagen Aussagen des Beschwerdeführers nicht zu überzeugen. Er habe gewusst, dass er polizeilich gesucht werde und zur Verhaftung ausgeschrieben sei, um eine Freiheitsstrafe zu verbüssen. Er habe mit dem Erscheinen der Polizei in seiner Wohnung rechnen müssen. Sein Verhalten habe nur dazu dienen können, sich der Verhaftung zu entziehen. Daraus folge, dass ihm die Beamteneigenschaft der Polizisten klar gewesen sei (E. 1.4).
Der Fall ist ein Beispiel dafür, wie die Justiz ihre Glaubwürdigkeit untergräbt. Mittelbarkeit und antizipierte Beweiswürdigung in Ehren, aber wieso macht man im kantonalen Verfahren nicht einfach Nägel mit Köpfen und schaut sich den Kühlschrank an, bevor man den Beschwerdeführer als Lügner darstellt?
Das ist echt ein wirres Fazit über einen wirren Vorfall:
Der Beschwerdeführer hat gemäss BGE nicht versucht, sich im Kühlschrank zu verstecken (wo man i.d.R. ziemlich rasch erstickt), sondern im Küchenschrank. Und eine Foto soll belegen, dass es dort knapp genug Platz gehabt hätte.
Diese Schilderung der Polizisten scheint mir durchaus möglich, aber als juristischer Laie wundere ich mich, warum der Beschwerdeführer beim gewaltsamen Eindringen von zwei zivil gekleideten Personen hätte wissen müssen, dass dies die Polizei sei? Und warum bitte erscheint die Polizei für einen solchen Gewaltakt nicht in Uniform??
Also bitte, im Kühlschrank, in einem kleinen Küchenschrank über dem Herd, in einem Kinderkleiderschrank, im Zwischenraum eines zusammengeftetem Klappsofas, in einer Reisetasche, hinter einer Satelitenschüssel kauernd ist alles schon vorgekommen. Wer behauptet solche Verstecke seien unglaubwürdig hat schlicht weg keine Praxiserfahrung bei der Durchführung von Verhaftungen. Aber eben, wenn alles andere nichts mehr hilft, dann kann man ja immer noch versuchen die Polizisten in den Dreck zu ziehen. Von mir aus könnte man sofort die Bodycams einführen, dann wäre endlich Schluss damit. Einmal Play drücken und es gibt keine Fragen mehr!
Der Entscheid spricht von “Küchenschrank”, nicht von Kühlschrank.
@COP:
Was sagen Sie als Insider dazu, dass Polizei in Zivil zu einer solchen Verhaftung schreitet?
Im Grundsatz sind Fahndungsdienste und andere Kripo-Abteilungen in ziviler Dienstkleidung im Einsatz, so führen sie auch ihre Verhaftungen durch.Sie weisen sich bei ihren Amtshandlungen aus. Meistens tragen Kripoangehörige ihren Ausweis gut sichtbar in einem Eutie um den Hals, welches mit der Aufschrift Polizei bedruckt ist.
Die Kripo geht nicht bei jedem Einsatz davon aus, dass sie die Wohnung stürmen muss oder es zu gewaltsamen Handlungen kommen wird! Spezialformationen der Uniformpolizei (Grenadiere) kommen aufgrund der Verhältnismässigkeit nur bei besonders gefährlichen Lagen zum Einsatz. Also wenn vermutet werden muss, dass die Gesuchten sehr gewaltätig und/oder bewaffnet sein könnten.
Hier ging es um eine simple Strafvollzugsfahndung. Das bedeutet, dass der Gesuchte um die Freiheitsstrafe wusste und den Antrittstermin in der Vollzugseinrichtung verstreichen liess. Der Vollzug von Verhaftsbefehlen des Strafvollzuges, die Suche nach ausgeschreibenen Flüchtigen oder entwichenen Personen ist in der Regel Aufgabe der Kripo (Kriminaldienst und/oder Fahndungen). Es ist nicht unüblich, dass Familienangehörige die Türe öffnen und der Gesuchte sich in der Wohnung zu verstecken versucht. Und nicht jeder, der sich vesteckt und gefunden wird, wehrt sich bei der Verhaftung…
@COP: Danke für die Aufklärung eines Greenhorns 😉