Immutabilitätsprinzip?

Einmal mehr setzt sich das Bundesgericht über das Gesetz hinweg und hält an seiner gesetzeswidrigen Rechtsprechung fest, wonach der Anklagesachverhalt im Hauptverfahren/Rechtsmittelverfahren abgeändert werden darf (BGer 7B_226/2024 vom 14.02.2024). Doppelte Voraussetzung soll sein,

  • dass Änderungen für die rechtliche Qualifikation des Sachverhalts nicht ausschlaggebend sind und
  • dass die beschuldigte Person dazu Stellung nehmen konnte:

Der Beschwerdeführer wirft der Vorinstanz vor, sie sei über den angeklagten Sachverhalt hinausgegangen. Damit übersieht er, dass das gerichtliche Beweisverfahren durchaus ergeben kann, dass sich das Tatgeschehen in einzelnen Punkten anders abgespielt hat als in der Anklage dargestellt. Allerdings hindert der Anklagegrundsatz das Gericht nicht, die beschuldigte Person aufgrund des abgeänderten Sachverhalts zu verurteilen, sofern die Änderungen für die rechtliche Qualifikation des Sachverhalts nicht ausschlaggebende Punkte betreffen und die beschuldigte Person Gelegenheit hatte, dazu Stellung zu nehmen (Urteil 6B_239/2022 vom 22. März 2023 E. 4.3 mit Hinweisen). Der Beschwerdeführer legt nicht dar und es ist auch nicht ersichtlich, dass sein diesbezüglicher Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt worden wäre (E. 2.3.2).  

Ein paar Erwägungen zuvor sagt das Bundesgericht im selben Entscheid übrigens:

Das Gericht ist an den in der Anklage umschriebenen Sachverhalt, nicht aber an die darin vorgenommene rechtliche Würdigung gebunden (Art. 350 Abs. 1 StPO) [E. 2.1.2]. 

Auch Art. 333 Abs. 1 StPO, den das Bundesgericht nicht zitiert, hält klar gegen eine Änderung des Sachverhalts. Mit der oben zitierten Erwägung 2.3.2, die im Übrigen alles andere als neu ist, wäre es beispielsweise möglich, einen Beschuldigten wegen vorsätzlicher Tötung durch einen Messerstich anzuklagen und ihn dann zu verurteilen, er habe das Opfer erschossen. Selbst das Bundesgericht kann sich vielleicht vorstellen, dass die ganze Verteidigungsstrategie von Anfang an eine völlig andere wäre, wenn der Vorwurf von Anfang an auf Erschiessen gerichtet gewesen wäre.

Mir leuchtet nicht ein, wieso das Bundesgericht ohne Not und ohne Begründung vom Gesetzestext abweicht. Dies tut es übrigens ausnahmslos zuungunsten der beschuldigten Personen. Gegenbeweise nehme ich gerne entgegen.