“in dubio pro duriore” auch bei Prozessvoraussetzungen?

Das Bundesgericht weist die Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich an, eine Strafuntersuchung wegen Verdachts des Betrugs zu eröffnen (BGer 6B_127/2013 vom 03.09.2013). Die Staatsanwaltschaft war auf eine Strafanzeige nicht eingetreten, weil sie keine schweizerische Gerichtsbarkeit zu begründen vermochte. Das Bundesgericht kommt zum Schluss, dass eine solche jedenfalls nicht auszuschliessen sei, weshalb die Untersuchung zu eröffnen sei:

Die Frage, ob ein Strafverfahren durch die Strafverfolgungsbehörde über eine Nichtanhandnahme erledigt werden kann, beurteilt sich nach dem aus dem Legalitätsprinzip abgeleiteten Grundsatz “in dubio pro duriore” (Art. 5 Abs. 1 BV und Art. 2 Abs. 1 StPO i.V.m. Art. 319 Abs. 1 und Art. 324 Abs. 1 StPO; BGE 138 IV 86 E. 4.2). Danach darf eine Nichtanhandnahme durch die Staatsanwaltschaft gestützt auf Art. 310 Abs. 1 lit. a StPO nur in sachverhaltsmässig und rechtlich klaren Fällen ergehen, so bei offensichtlicher Straflosigkeit, wenn der Sachverhalt mit Sicherheit nicht unter einen Straftatbestand fällt, oder bei eindeutig fehlenden Prozessvoraussetzungen (E. 4.1).

Die im vorliegenden Fall fragliche Prozessvoraussetzung steht u.a. im Zusammenhang mit der Frage, ob als Erfolgsort im Sinne von Art. 8 StGB der Ort der Vermögensverfügung im Sinne des Betrugstatbestands gelten könne. Diese Frage ist höchstrichterlich ungeklärt und bleibt es vorerst auch. Fehlende Präjudizien sprechen im vorliegenden Fall aber gerade gegen die Nichtanhandnahme:

Wenn die Frage, ob der Ort der Vermögensdisposition als Erfolgsort gilt, höchstrichterlich noch nicht entschieden ist und im Schrifttum zudem beachtliche Gründe für eine derartige Auffassung vorgebracht werden, lässt sich nicht ernsthaft annehmen, die Zuständigkeit der Schweizer Behörden zur Strafverfolgung sei offensichtlich nicht gegeben. Nach der Rechtsprechung kann der Umstand, dass Präjudizien zur Anwendung des materiellen Strafrechts fehlen, denn auch ein Kriterium darstellen, das im Zweifel für eine Anklageerhebung spricht (Urteil des Bundesgerichts 1B_528/2011 23. März 2012 E. 2.4). Ob tatsächlich Anklage erhoben wird, entscheidet sich in einem differenzierenden Abwägungsprozess, der die Eröffnung einer Untersuchung voraussetzt (E. 4.3).

Ob diese Erwägung besonders treffend ist, wage ich zu bezweifeln, zumal sie sich auf materielles Strafrecht bezieht. Die Zuständigkeit der schweizerischen Strafverfolgungsbehörden, welche die Vorinstanz verneint hatte, zählt nach meinem Verständnis nicht zum materiellen Strafrecht, auch wenn sie im StGB selbst verankert ist.

Das Bundesgericht setzt sich dann auch noch mit der Tathandlung auseinander, die wenigstens teilweise auch in der Schweiz erfolgt sein könnte, so dass eine Untersuchung zu eröffnen ist. Im Ergebnis läuft es aber auch auf die Frage hinaus, ob eine Prozessvoraussetzung vorliegt oder nicht. Ich war bisher immer davon ausgegangen, dass eine Strafuntersuchung zu unterbleiben hat, wenn auch nur eine (positive oder negative) Prozessvoraussetzung fehlt. Zweifel am Vorliegen einer positiven bzw. am Fehlen einer negativen Prozessvoraussetzung verbietet nach meinem Verständnis staatliches Handeln. Aber ich weiss durchaus, dass meine Auffassung nicht mehr zeitgemäss ist.