“in dubio pro duriore” auch für Polizisten

Im Kanton Zürich wurde ein Strafverfahren gegen zwei Polizisten wegen Freiheitsberaubung, Amtsmissbrauchs und einfacher Körperverletzung nach mehreren Jahren eingestellt. Der Geschädigte musste sich bis vor Bundesgericht dagegen wehren, das die Staatsanwaltschaft nun anweist, die Untersuchung weiterzuführen (BGer 1B_534/2012 vom 07.06.2013). Im Ergebnis stellt das Bundesgericht fest, dass ein Rechtfertigungsgrund nur zur Einstellung führen darf, wenn er offensichtlich gegeben ist.

Da sich allfällige Zivilansprüche nach Staatshaftungsrecht nicht direkt gegen die Polizisten richten können, musste ein anderer Eintretensgrund geltend gemacht werden:

Die Rechtsprechung anerkennt gestützt auf Art. 10 Abs. 3 BV, Art. 3 und 13 EMRK, Art. 7 UNO-Pakt II (SR 0.103.2) sowie Art. 13 des UN-Übereinkommens gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe vom 10. Dezember 1984 (SR 0.105) einen Anspruch des Betroffenen auf wirksamen Rechtsschutz (BGE 138 IV 86 E. 3.1.1 S. 88 mit Hinweisen). Anspruch auf eine wirksame und vertiefte amtliche Untersuchung hat, wer in vertretbarer Weise behauptet, von einem Polizeibeamten nach den genannten Bestimmungen unzulässig behandelt worden zu sein (Urteil 1B_355/2012 vom 12. Oktober 2012 E. 1.2.2; 1B_10/2012 vom 29. März 2012 E. 1.2.3 f. mit Hinweisen) [E. 1.2.2].

In der Sache war nur streitig, ob sich die beiden Polizeibeamten auf einen Rechtfertigungsgrund berufen konnten. Die kantonalen Instanz gingen davon aus, der Beschwerdeführer habe einen Einsatz gestört und sich der Hinderung einer Amtshandlung strafbar gemacht. Das erscheint dem Bundesgericht jedenfalls nicht als offensichtlich erwiesen.

Die blosse Feststellung, die Beschwerdegegner hätten sich durch den Beschwerdeführer gestört gefühlt (vgl. angefochtener Entscheid E. 7.6), reicht nicht, um ein Verhalten als tatbestandsmässig im Sinne von Art. 286 StGB zu qualifizieren. Offen ist zudem die Rechtsfrage, ob der Beschwerdeführer dazu verpflichtet war, den Befehl der Beschwerdegegner zu befolgen, das Fotografieren zu unterlassen und sich vom Ort des Geschehens zu entfernen (E. 2.2.1).

Der von der Vorinstanz in Betracht gezogene Umstand, es sei nachvollziehbar, dass die Beschwerdegegner aufgrund ihrer Stresssituation “subjektiv” von der Behinderung ihrer Arbeit ausgegangen seien (a.a.O. E. 7.6), genügt diesen Anforderungen nicht. Bei blossem Tatverdacht muss zur Festnahme zudem ein besonderer Haftgrund bestehen (vgl. § 54 Abs. 1 Ziff. 2 i.V.m. § 58 Abs. 1 oder 2 aStPO/ZH; BGE 107 Ia 138 E. 4c und 4f S. 142 ff.). Einen solchen hat die Vorinstanz nicht geprüft. Dass Flucht-, Kollusions- oder Wiederholungsgefahr bestanden hätte, geht aus den Akten nicht ohne Weiteres hervor. Es ist demnach zweifelhaft, ob die Festnahme den Anforderungen von § 54 Abs. 1 aStPO/ZH genügte und daher nach Art. 14 StGB gerechtfertigt war (E. 2.2.2).

Damit war die Anwendung von Art. 319 StPO bundesrechtswidrig:

Ohne dem Strafgericht vorzugreifen, bestehen insgesamt Zweifel darüber, ob die Festnahme und die damit verbundene Gewaltanwendung rechtmässig gewesen ist. Von einem klarerweise gerechtfertigten Verhalten der Beschwerdegegner im Sinne von Art. 319 Abs. 1 lit. c StPO i.V.m. Art. 14 StGB kann daher keine Rede sein. Wenn die Vorinstanz beim jetzigen Erkenntnisstand davon ausgeht, ein Freispruch sei wahrscheinlicher als eine Verurteilung, verletzt das Bundesrecht (E. 2.4).