In seiner Substanz verblassendes Akteneinsichtsrecht

Das Bundesgericht kassiert das Urteil des Bundesstrafgerichts vom 22. Juli 2011 (SK.2011.6), weil die Akten nicht vollständig waren (BGer 6B_719/2011 vom 12.11.2012, Fünferbesetzung). In E. 4.5 äussert sich das Bundesgericht einlässlich zur Bedeutung der Aktenführungs- und Dokumentationspflicht und hält fest, das Akteneinsichtsrecht verblasse in seiner Substanz, wenn die zur Einsicht stehenden Akten lückenhaft seien. Zum konkreten Fall:

Im Analysebericht wird in Fussnoten auf die drei Dokumente italienischer Amtsstellen hingewiesen, um die Ausführungen im Analysebericht betreffend die Zugehörigkeit der Beschuldigten zu verschiedenen Gruppierungen in der Vergangenheit und Gegenwart zu belegen. In Anbetracht dieses Kontextes ist es möglich, dass die drei Dokumente Erkenntnisse enthalten, die das Vorleben und die Gesinnung der Beschuldigten betreffen, welche unter anderem für die Strafzumessung von Bedeutung sein können. Gemäss dem Analysebericht kann der öko-anarchistische Club “E. ” als die operative Zelle des Anschlagversuchs betrachtet werden. Die im Analysebericht erwähnten Dokumente enthalten anscheinend Erkenntnisse betreffend diesen Club und die Mitgliedschaft der Beschuldigten.

Die inkriminierte Tat wurde am 15. April 2010 verübt, und die Beschuldigten wurden an diesem Tag angehalten und kontrolliert. Die drei Dokumente italienischer Amtsstellen, deren Beizug zu den Akten der Beschwerdeführer verlangt, datieren vom 15. April, 13. Mai respektive 15. Juni 2010. In Anbetracht dieser zeitlichen Koinzidenz ist es möglich, dass die Dokumente Erkenntnisse italienischer Amtsstellen enthalten, welche die konkrete Straftat als solche, d.h. die Vorbereitung des – letztlich verhinderten – Brand- und Sprengstoffanschlags, und deren Aufklärung und Feststellung betreffen.
Die drei Dokumente italienischer Amtsstellen haben einen Bezug zur Sache. Sie hätten zu den Akten beigezogen werden müssen. Indem dies unterblieb, wurden die Dokumentationspflicht (Art. 100 StPO) verletzt und die Verteidigungsrechte der Beschuldigten missachtet (E. 4.8.2).