In wenigen Stunden …

… tritt die Schweizerische Strafprozessordnung in Kraft – 163 Jahre nachdem die Gesandtschaft des Kantons Solothurn der Tagsatzung beantragt hatte,

“die Gesetzgebung über Verbrechen und deren Bestrafung, sowie über das Verfahren in Kriminalsachen dem Bunde zu übertragen” (BBl 1896 IV 737).

Die Bundesversammlung beschloss die Vereinheitlichung des Strafprozesses 1872, aber der entsprechende Verfassungsentwurf wurde verworfen. Der von Volk und Ständen angenommene Entwurf von 1874 enthielt keine Bundeskompetenz mehr.

Ganz vom Tisch war die Idee freilich nicht mehr zu kriegen, denn schon damals erkannte man beim Schweizerischen Juristenverein:

Der Verbrecher flüchtet sich mit Hülfe der Dampfkraft in wenigen Stunden oder gar Minuten aus dem Kanton, in dem er die That beging (a.a.O., 740)

Im Jahr 1896 schob die Politik die Vereinheitlichung u.a. deshalb auf, weil die Schweiz nicht über einen “gleichmässig ausgebildeten” Beamtenstand verfügte (Botschaft des Bundesrates an die Bundesversammlung, betreffend die Revision der Bundesverfassung zur Einführung der Rechtseinheit vom 28.11.1896; BBl 1896 IV 734 f.).

In wenigen Stunden ist es also soweit. Das Leben wird sich dadurch nicht ändern, auch nicht für die Direktbetroffenen. In etlichen Kantonen werden aber immerhin Dutzende oder Hunderte von “gleichmässig ausgebildeten” Staatsanwälten zu gar nicht ausgebildeten Quasi-Richtern, die voraussichtlich über 95% aller Straffälle mit Strafbefehl erledigen werden (aktuell dazu der Beitrag im Tages-Anzeiger). Die Inquisition holt sich zurück, was ihr die Aufklärung entrissen hatte.