Indirekte Verwertung unverwertbarer Beweismittel?
Wird das Ergebnis einer nicht verwertbaren Einvernahme nicht aus den Akten gewiesen, kann sich die beschuldigte Person nur beschränkt dagegen wehren. Weil das Bundesgericht (in der Regel) nicht auf entsprechende Beschwerden eintritt, sehen sich auch die Vorinstanzen (in der Regel) nicht veranlasst, dem Sachrichter unverwertbare Beweismittel vorzuenthalten.
Die Lösung des Bundesgerichts (BGer 1B_30/2015 vom 11.05.2015):
Produziert somit die Staatsanwaltschaft einen unverwertbaren Belastungsbeweis, etwa indem sie einen erkennbar notwendig zu verteidigenden Beschuldigten unter Verletzung der Art. 130 f. StPO ohne Rechtsbeistand einvernehmen lässt, so kann dies der Beschuldigte dem Strafrichter zu Beginn der Hauptverhandlung vorbringen. Es droht ihm damit in der Regel kein nicht wieder gutzumachender Nachteil, wenn er den entsprechenden Beweisbeschluss der Staatsanwaltschaft nicht bereits vor dem Erlass des erstinstanzlichen Strafurteils vom Bundesgericht überprüfen lassen kann (Urteil des Bundesgerichts 1B_347/2014 vom 13. Januar 2015 E. 1) [E. 2.2.1].
Taktisch erscheint diese Lösung eher schwierig. Den Richter zu Beginn auf nicht verwertbare Beweismittel aufmerksam zu machen, wird nicht ohne Ankereffekt bleiben. Damit werden unverwertbare Beweismittel indirekt wohl doch oder erst recht verwertet.
Damit kein Widerspruch zur bisherigen Rechtsprechung entsteht, schiebt das Bundesgericht die Ausnahme nach:
Dies kann ausnahmsweise anders sein, namentlich wenn bestimmte Umstände eine besonders belastende, schwierige Beweiswürdigung erwarten lassen. Dies war etwa im Urteil 1B_445/2013 vom 14. Februar 2014 der Fall. Dabei ging es um die naturgemäss heikle Würdigung der Aussagen eines rund 4 ½ Jahre alten Kleinkindes zu sexuellen Übergriffen. Das Bundesgericht ist davon ausgegangen, dass es in dieser Konstellation auch einem erfahrenen Strafrichter schwer fallen würde, die im umstrittenen Protokoll enthaltenen Zugeständnisse und Selbstbelastungen des beschuldigten Vaters bei der Beweiswürdigung auszublenden, weshalb diesem ein nicht wieder gutzumachender Nachteil drohen könnte, wenn es in den Strafakten bliebe.
Der Entscheid ist theoretisch nachvollziehbar, praktisch aber mit Art. 141 Abs. 5 StPO schwer zu vereinbaren.