Instagram und DSG
Wer verbotenes Videomaterial über Instagram teilt, kann sich nach einem neuen Bundesgerichtsurteil (BGer 6B_219/2022 vom 15.05.2024, Fünferbesetzung) aufgrund der erfolgten Einwilligung zur Datenbearbeitung nach aDSG nicht auf Beweisverwertungsverbote berufen:
Bei der damaligen Facebook Inc. bzw. heutigen Meta Platforms Inc., welche das soziale Netzwerk Instagram bereitstellt, handelt es sich um einen weltbekannten US-amerikanischen Internetkonzern. Es darf als notorisch und daher auch dem Beschwerdeführer bekannt vorausgesetzt werden, dass Facebook Inc. bzw. Meta Platforms Inc. in den USA beheimatet ist und von dort aus ihrer Unternehmenstätigkeit nachgeht. Vor diesem Hintergrund darf ebenso angenommen werden, dass einem Nutzer des erkennbar von diesem Konzern betriebenen sozialen Netzwerks Instagram, wie es der Beschwerdeführer war, klar sein musste, Informationen betreffend seine via dieses Netzwerk geteilten Inhalte könnten in die USA gelangen, gerade etwa im Rahmen der in den Nutzungsbedingungen und Datenschutzrichtlinien offengelegten und erläuterten Sicherheitsmassnahmen, in welchen nicht zuletzt das in den USA domizilierte NCMEC explizit genannt ist (vgl. E. 1.6.3 oben). Der vom Beschwerdeführer erwähnte Umstand, dass in den bei Kontoeröffnung vorgelegenen Dokumenten eine Tochtergesellschaft des Facebook- bzw. Meta-Konzerns mit Sitz in Irland, die damalige Facebook Ireland Ltd. und heutige Meta Platforms Ireland Ltd., als Vertragspartnerin und Datenverantwortliche angegeben sei, ändert an diesem Wissen um die enge Verbindung des Mutterkonzerns zu den USA nichts. Wenn der Beschwerdeführer mit dem entsprechenden Wissen den Instagram-Dienst verwendet und Inhalte mittels desselben verschickt, hat er eine Bekanntgabe von damit einhergehenden Informationen in die USA sich selbst zuzuschreiben, und nicht einem Drittakteur, dem er Inhalte anheimgegeben hätte im berechtigten Vertrauen darauf, diese würden in der Schweiz/in Europa bleiben und jedenfalls nicht in die USA gelangen. Auf die von ihm angeführte Vorschrift von Art. 6 aDSG kann er sich unter diesen Umständen nicht berufen (E. 1.7.2).
Wenn ich es richtig sehe, greift die Argumentation des Bundesgerichts zu kurz und ist teilweise wohl auch falsch. Es geht doch um automatisierte Beweisausforschung des Datenverkehrs über eine in der EU betriebene Plattform. Massgebend kann doch nicht sein, dass die Plattform zu einem amerikanischen Konzern gehört und ob eine Einwilligung nach DSG vorliegt.
Wie sehen das Spezialisten wie Kollege @steigerlegal?
Das Urteil zeigt jedenfalls auf: Es wird sich kaum jemand in der Schweiz davor schützen können, dass einmal in einer U.S.-Cloud (Microsoft, Google, Amazon, Meta) gespeicherte Daten über ihn an Schweizer Behörden übermittelt und von diesen in einem Strafverfahren gegen ihn verwendet werden.
Merci für diesen spannenden Hinweis!
Auf den ersten Blick halte ich das Urteil für äusserst sportlich und zielorientiert. Das Urteil könnte ausserdem erhebliche Folgen für den schweizerischen Daten-Export in die USA haben, wenn das Bundesgericht davon ausgeht, dass die Daten von einer europäischen Konzerngesellschaft immer zur Mutter in die USA fliessen können …
Inzwischen habe ich einen eigenen Beitrag zum Urteil verfasst und eine Podcast-Episode aufgenommen:
https://steigerlegal.ch/2024/06/04/bundesgericht-urteil-chatkontrolle/
https://podcast.datenschutzpartner.ch/253-bundesgericht-instagram-chatkontrolle